Mal wieder eine Nacht voller wacher Stunden. Mit vielen Gedanken in meinem Kopf. Gestern haben wir mit Freunden nochmal „Alles steht Kopf“ geschaut.
Ein toller Kinderfilm, dessen Botschaft man wohl erst ganz erfasst, wenn man erwachsen ist.
Was sagt Kummer zu BingBong?
„Ja, es tut weh, wenn man etwas verloren hat, was man liebt.“
Kummer hat so recht. Es tut weh, in jeder Faser deines Körpers. Als würdest du eine schwere Virusinfektion bekommen, so reißt es an deinen Gliedern. Dir ist flau im Bauch, dein Darm krampft, dein Kopf fühlt sich an wie in einer Wattewolke. Jede Bewegung fühlt sich schwer an. Minuten werden zu Stunden, Stunden fühlen sich an wie Tage. Während für meine Mitmenschen schon wieder 6 Wochen rum sind, sind es für mich erst 6 Wochen, die ich wie durch einen Nebel wahrgenommen habe.
Im Film geht es auch um das abstrakte Denken.
Auch ich denke im Moment viel Abstraktes.
Es geschieht so viel um mich herum, was ich nicht aufhalten kann. Weil es nicht in meiner Macht steht. Weil ich zu schwach bin, weil es im Leben Dinge gibt, die einfach geschehen….
„Dein Leben verändert sich gerade. Du ordnest dein Leben neu, weil gewohnte Strukturen weggefallen sind.“
(Weisheiten meiner lieben Anja)
Ja, aber diese Veränderung ist so viel mehr. Sie ist ein Umbruch. Umbruch. So ein komisches Wort. Was soll das heißen? Auf den ersten Blick scheint es so, als würde man etwas umkrempeln, auf eine gegenüberliegende Seite bringen.
Aber es bedeutet viel mehr, es ist fast so wie das Wort Tod.
Um-Bruch
Um. Etwas ist um. Vorbei. Unwiederbringlich beendet. Now old friends are acting strange. Meine Mama, die um ist. Ihr Leben ist um. Freunde verhalten sich anders. Weil bei mir etwas um ist. Meine Unbeschwertheit. Ist um.
Um. Weg, für immer. Ich kann diese Sachen nicht wiederherstellen. Meine Mama kommt nicht wieder.
Um. Jetzt verstehe ich. Ich verstehe was um bedeutet. Erst jetzt. Jetzt wird mir das Wort, die Bedeutung von „Um“ in Umbruch klar.
Und ich kann nichts ändern daran. Wenn etwas um ist, dann ist es vergeblich, darum zu kämpfen. Vor allem dann, wenn mit diesem einen Um andere Ums aus der Vergangenheit wieder auf den Plan treten.
In „Alles steht Kopf“ war es das Unterbewusstsein. Dinge, vor denen man Angst hatte, die werden dort weggesperrt. Broccoli zum Beispiel, der Staubsauger der Oma, ein fies grinsender Clown. Das kann ich so gut nachvollziehen. Auch ich habe da diese Dinge drin. Dinge, die schon vor Jahren „Um“ waren von einem Umbruch, von einer Veränderung.
Mit dem jetzigen „Um“ kommen die wieder jedoch wieder hoch. Als würde das eine „Um“ wie ein Schlüssel in das Unterbewusstsein passen und das alte „Um“ freundlich begrüßen. Hey komme, lass uns Party machen.
Und alles, was damals war, erfüllt mich mit den gleichen Gefühlen, die ich bei dem jetzigen „Um“ durchmache. Damals hatte ich Panikattacken, Herzrasen, Angst vor dem Unbekannten, Beklemmungen, Schwitzen, Schlaflosigkeit. Einfach einen riesen Schiss vor dem „Um“. Es hat was in mir kaputt gemacht. Ich habe es in mir eingeschlossen. Tief in mir drin. Um daran nicht zu zerbrechen.
Als meine Mama nun starb, kam dieses Gefühl des alten „Um“ wieder raus. Und vermischt sich nun mit dem „Um“ aus dem Unterbewusstsein. Die beiden „Um“ verstärken sich nun gegenseitig. Und ich komme mir vor, als würde ich verrückt werden. Ich will dieses „Um“ nicht, ich will mein Leben wieder, wie es war. Aber meine Mama kommt nicht wieder. Mit „Old Friends“ scheint es keine Chance zu geben, etwas zu kitten.
Weil ich mich verändert habe. „They shake their head, they say I’ve changed“.
Ja, diese Veränderung ist eben auch ein Um….
Nur dieses „Um“ ginge vielleicht ja noch.
Aber in Umbruch steht auch noch Bruch.
Etwas zerbricht, knackt laut, geht kaputt. Natürlich kann man Brüche zum Teil reparieren. Knochenbrüche werden gegipst. Ein gebrochenes Möbelstück kann man leimen.
Aber was ist mit den Brüchen der Seele. Die heilen sicher auch. Aber da werden immer Narben drauf sein, die nicht verschwinden. Da hat meine liebe River schon recht. Die Zeit heilt den Bruch, aber die Narbe bleibt.
Auch bei dem Möbelstück und beim Knochen. Auch wenn nach einem Bruch etwas repariert wird, du wirst die Stelle immer sehen, die repariert wurde. Es ist nichts mehr wie es war. Es ist anders. Verändert. Kaputt und nie mehr so stabil.
Was bleibt mir nun zu tun in dieser ausweglosen Situation?
Natürlich könnte ich in die Offensive gehen. Ich könnte lauthals den Tod verfluchen. Aber das ändert nichts am Um und nichts am Bruch.
Ich könnte nun zu der Welle der „Old friends are acting strange“ eine öffentliche Gegenbewegung starten.
Überall und jedem erzählen, was beim „Um“ und „Bruch“ geschehen ist. Das ich doch einfach nur eine Schulter wollte zum Anlehnen, einen Menschen, der zuhört…
Und nun hören viele zu, aber nicht meine Worte… Weil mich nie einer gefragt hat. Und die, die fragen, keine Armee bilden und für mich in die Schlacht ziehen. Weil ich das nicht will.
Weil das mein Um-Bruch ist. Das hat nichts mit den Menschen zu tun, die mir beistehen. Da reicht mir das Wissen, sie sind da.
Ich muss mit Mamas Tod umgehen, ich muss mit Unverständnis umgehen und mit dem Vorwurf, ich habe mich verändert. Das ist meine Sache….
Ich nehme alles an, was jetzt passiert. Die Narben sind schon da, waren schon beim ersten Um-Bruch tief.
Frei nach dem ABBA Song.
When all is said and done
„It’s so strange when you’re down and lying on the floor
How you rise, shake your head, get up and ask for more
Clear-headed and open-eyed
With nothing left to try
Standing calmly at the crossroads, no desire to run
There’s no hurry any more When All Is Said And Done
Und auch Joni Mitchell hat recht
„Something lost, somthing gained in living every day“
Eines steht jedoch fest. Zu so einem Umbruch gehören immer zwei Parteien. Und beide tragen Verantwortung für einen Umbruch. Meine Mama starb… Sie muss nun auf mich aufpassen. Ich lebe noch.
Danke an Sandra an dieser Stelle. Ja, auf mich wartet noch so viel, was ich meiner Mama berichten kann.
Vielleicht stimmt es. Ich habe mich verändert, das war mein Teil, den ich ohne Beschönigung zugeben muss.
Ich kann nur so sein, wie Kari eben ist. Mich zurückziehen, die Menschen sich einfach eine Meinung über mich bilden lassen und es aushalten. Ich habe keine Zeit und keinen Kopf, mir darüber Gedanken zu machen, ich muss erstmal den Bruch verheilen zu lassen.
Denn bei einem „Um“ und „Bruch“ ist es wichtig, es eben geschehen zu lassen, damit es besser heilen kann. Je mehr man versucht dagegen anzukämpfen, desto mehr tut es weh.
Um-Bruch? – Zu-lassen!
Das Schicksal wird wohl wissen was es tut.
Und ich? Ich muss schauen, dass es mir und meiner Psyche gut geht….
Denn wenn alles gesagt ist, dann braucht man sich keine Gedanken zu machen. Und ich glaube tatsächlich, es wurde alles gesagt….. aber es kam nicht an. Der Tod ist eben taub und einfach unfair….