„Und, wie geht es dir?“

Was soll man denn auf so eine Frage antworten? Wer mich kennt, der weiß, ich lächle das weg. Heulen, meckern oder brüllen ändert ja auch nichts an der Situation. Und in Selbstmitleid möchte ich auf keinen Fall zerfließen. Das widerstrebt mir sehr, denn im Grunde bin ich ein sehr postiver Mensch.

Mir geht es gut, denn ich bin mir sicher, es könnte auch noch alles schlimmer sein. Und in den Bereichen, in denen es nicht so fluppt, wie ich das denke, da bekomme ich entweder Hilfe, oder ich helfe mir selbst.
Mehr kann ich nicht verlangen. Also geht es mir gut. Und das Lächeln ist auch nicht gespielt. Ich bin froh über die Weisheit, dass es auch noch schlimmer sein könnte. Überlegt doch mal, zu allem Überfluss könnte ich noch Fußpilz bekommen. Läuse oder die Krätze, die nach Medienberichten ja wieder weit verbreitet ist.
Aber meine Haut juckt nicht (doch, jetzt wo ich darüber schreibe, jetzt habe ich das große Bedürfnis mir am Kopf zu kratzen).

Sgar das mit dem Umzug habe ich im Griff, irgendwie. Nein, keine Sorge, ich werde nicht wieder meinen häuslichen Wohnraum verlassen. Nichts liegt mir ferner. Ich fühle mich in unseren vier Wänden sehr wohl. Also werde ich hier bleiben.

Nein, mein emotionlas Zuhause liegt im Moment wirklich sehr ungünstig.

„Du hast ganz schön nah am Wasser gebaut.“

So oder so ähnlich stellte man das am Chorwochenende im Dezember fest. Ja, das ist wohl so. Aber dem war nicht immer so. Natürlich war ich mal gerührt, war todtraurig und vergoss mal ein paar Tränen. Doch meine jetztige seelische Bleibe, die hat die Eingangstür 5 cm vom Ufer entfernt, die Veranda liegt im Wasser und wenn ein Sturm aufzieht, dann drückt das Wasser des Sees in meine gute Stube.

Und spätestens dann, wenn ich mir das Wasser, während ich im Ohrenbackensessel sitze und lese, an den Knöcheln hochsteigt, dann brechen die Dämme.

Die letzten Wochen und Monate habe ich versucht, die Dämme immer wieder zu kitten. Ich habe es weggeatmet, es weggelacht, es in die Füße geschickt. Das waren viel zu viele Gefühle. Die hätten mich sonst umgehauen und hätten mich in einer Welle in den See gespült. Da wäre ich sicherlich jämmerlich ersoffen. Da bin ich mir sicher.

Jetzt verstehe ich…. Das war nicht so wirklich gut.

Das Wasser in meiner Wohnstube hat sich eben einen anderen Weg gesucht. Wenn es nicht über Tränen geht, dann schauen wir doch mal, wo wir sonst ausbrechen können. Jippie, Schweißdrüsen, yeah, und da, das Herz. Spitze.
Wie in so nem Dampfkochtopf, den man fest verschließt, ist mein Körper jedes mal förmlich Amok gelaufen, wenn der Druck zu groß wurde. Die Folge, mein kleines Monster in mir hat so richtig viel Nahrung bekommen. Nennt es Tränen, nennt es das Wasser aus dem See oder Dampf aus meinem Kochtopf.
Mein kleines Monster namens Panik hat sich förmlich auf die unterdrückten Gefühle gestürzt. Auf die Wut, die mich nicht zum Heulen bringen sollte. Auf die Trauer, auf die Freudentränen.

Seit Dezember jedoch reicht die Panik nicht mehr. Jetzt geht es auch ans Heulen. Mega, kann ich euch sagen. Da sitzt du im Bus, machst ne Mail auf von deiner Chorleiterin und als du das Lied anmachst, da gehen die Dämme auf. Ich konnte nicht mal ein Handtuck in meinen Türeingang des Hauses stopfen. Die Flut kam so schnell, dass ich machtlos war.
Oder die Ärztin fragt, nachdem du von den Ereignissen berichtet hast, was die letzten Wochen so los war, ob du weinen konntest. Du antwortest mit Nein und gleichzeitig schießen dir die Tränen in die Augen.

Ich finde, egal ob Panikschwitzen oder Heultränen…. Es ist eindeutig zu viel Wasser, das mein Leben beeinflusst. Und da muss ich was dran tun.
Zum Glück habe ich einen tollen Umzugshelfer an der Hand. Mit dem habe ich mich auf Anhieb sehr gut verstanden. Und das Beste, der scheint sogar mich zu verstehen, mit meinen sehr bildlichen Ideen im Kopf.

Er versprach mir zwar keinen kompletten Umzug ins Trockene, aber vorübergehend könnte es ja auch ein Ferienappartment in Landesinneren sein, dass ich immer mal wieder besuchen kann. Meine Aufenthalte dort dürfen dann auch mit der Zeit dort etwas länger werden. Ganz wegziehen darf ich jedoch nicht…. Denn es ist wichtig, dass man von solchen Wellen manchmal so richtig durchgespült wird. Einfach, damit nicht zu viel angestaut und die Seele leichter wird. Also muss zumindest regelmäßig ein Putztag her.

Der erste Schritt ist getan. Ich habe begriffen: Weinen ist wichtig.

Also, ich habe nun ein Haus am See und zumindest auch einen Zweitwohnsitz in der Stadt. Wobei ein Tausch nicht ausgeschlossen ist. Da arbeite ich hart dran. Der erste Umzugskarton ist gepackt.

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