Es ist der 12. Dezember 2018. Warum sag ich euch das eigentlich? Das wisst ihr ja selbst. Ihr habt heute bestimmt schon in den Kalender geschaut oder vielleicht sogar euer Kläppchen am Adventskalender geöffnet.
Wenn dieser Beitrag erscheit, dann habe ich das noch nicht getan. Denn ich bin bei meiner Schwester. Diesen Artikel habe ich nämlich gestern – also faktisch heute – schon vorbereitet, damit der auch online gehen kann.
Es ist also der 12. Dezember und somit ist es 2 Jahre her. Letztes Jahr habe ich großes erwartet. Gibt es ein Zeichen, geschieht etwas besonderes? Dieses Jahr erwarte ich das nicht. Ich weiß nur, dass ich was schreiben mag. Und ich weiß auch sehr deutlich, was es sein soll, oder auch sein muss. Ich glaube sogar, Mama wäre stolz auf mich, aber auch der Herr Franke, der Therapeut, der mich nun schon seit fast einem Jahr begleitet. Und durch den ich erst soviel klarer sehe, aber auch noch viel verwirrter bin, weil ich mich selbst nicht einschätzen kann.
Ich habe auch erst überlegt, ob ich das öffentlich machen soll, was ich hier jetzt tu.
Mich fragte eine liebe Freundin vor kurzem, warum ich das denn so nach Außen trage. Warum ich das nicht nur für mich mache? Ob das überhaupt ins Netz gehört, so auf diese Art und Weise.
Sie stellte jedoch schnell fest, dass das bestimmt auch anderen hilft.
Das kann durchaus sein, aber in erster Linie hilft es mir. Denn ich soll darüber reden. Über Gefühle und all den Kram, der so schwer ist. Und da mir das nicht gelingt, schreibe ich darüber. Und da ich beim Reden ja auch einen Empfänger habe, habe ich für mich entschieden, dass das geschriebene Wort für mich meine Sprache ist, die jeder hören darf.
Es soll ein Brief werden, mit allem, was ich auf der Seele habe. Was würde ich ihr sagen, wenn sie noch hier wäre?
Liebe Mama,
Zwei Jahre bist du nun schon fort. Und es tut so weh wie am ersten Tag. Nein, Blödsinn. Es ist schlimmer, denn zu Anfang konnte ich den Schmerz einfach nicht zulassen. Da war nichts, was ich hätte greifen können. Es war einfach leer. Da war nichts mehr, du warst nicht da.
Du weißt aber sicherlich, dass ich mir Hilfe geholt habe. Da bin ich mir sicher. Manchmal habe ich nämlich das Gefühl, dass du noch hier bist. Bei uns. Du lachst über unsere alltäglichen wahnsinnigen Kleinigkeiten. Schüttels den Kopf, wenn ich das mit dem Kochen mal wieder nicht hinbekomme, oder wenn ich mich wieder mit Papa kabbel.
Aber du weißt auch, dass ich mich bemühe und stets mein bestes gebe.
Viele Gedanken gehen mir in den letzten Wochen durch den Kopf. Ich hätte dir so viel noch gesagt, wenn ich gewusst hätte, dass dieser 12. Dezember dein letzter Tag sein wird. Ich habe irgendwie bis heute ein schlechtes Gewissen, dass ich bei Marcel war und wir dort gefeiert hatten. Du hattest Oscar in der Zeit und hast dich um Kira und Mika gekümmert. War das vielleicht zuviel für dich? Dir ging es ja schon länger nicht gut, dass weiß ich. Aber ich weiß auch, dass du das nie zugegeben hättest. Du hast dein Ding durchgezogen und uns immer geholfen, wenn wir was wollten. Dabei hast du gelächelt und alles hingenommen.
Auch mein Meckern am 11. Dezember. Ja, vor fast auf die Minute einem Jahr, da habe ich dich angeschnauzt, warum Oscar denn noch nicht draussen war. Das wollte ich nicht. Denn das waren fast die letzten Worte, die wir gewechselt haben. Ich weiß nämlich nicht, wieviel du von unserem Gespräch am Telefon, als du schon im Krankenhaus gelegen hast, noch mitbekommen hast.
Es tut mir leid. Es tut mir leid, dass ich fies war. Es tut mir leid, dass ich irgendwie nie wirklich gesagt habe, oder auch sagen konnte, dass ich dich lieb habe und da ich dir von Herzen danke.
Wie heißt es in dem Lied von Ronan Keating?
„You know I never really took the time for thank you, I was always thinking you were here to stay“
Ich will das nachholen. Ich danke dir für alles, was du je für uns getan hast. Du hast uns die Flügel gegeben, um zu fliegen und du hast uns die Wurzeln geschenkt, damit wir nicht abheben. Das war alles richtig, so wie es war.
Und noch etwas möchte ich dir sagen. Ich habe dich lieb. Auch wenn uns das in der Familie so schwer über unsere Lippen geht. Ich hatte dich lieb und werde dich immer lieb haben. Du hast ein Loch hinterlassen und dich kann einfach keiner ersetzen.
Selbst schreiben kann ich nicht so gut, was ich dir alles sagen mag. Deswegen war Jasmins Idee mit dem Tears in Heaven gar nicht so schlecht. Ich weiß, ich habe dir bereits unzählige Lieder geschrieben. Aber keines ist so ehrlich und mit allem, was in mir los ist, wie dieses hier. Meine Version von Tears in Heaven mit neuem Text und varriierter Melodie.
Ich hoffe du kannst es hören, da oben, was immer das auch bedeutet. Ich und wir werden für dich weiterleben. Versprochen, und alles mit dir und für dich erleben. Und ich werde auf jede Träne, die ich heute weinen werde (Ja, ich denke Jasmin hat sich was dabei gedacht) voller Stolz weinen. Weil diese Tränen sind für eine starke Frau, eine großartige Mutter und einen Engel im Himmel, der uns zu früh genommen wurde.
Ich habe dich lieb und irgendwann sehe ich dich wieder, im Himmel, aber ich weiß, mein Leben muss erstmal hier weitergehen.