Immer offensiv, mein Lebensmotto
Als dicker Mensch kennt man das. Diesen Spießrundenlauf, wenn man draußen ist. Unter Fremden. Du entsprichst nicht der Norm, fällst aus dem Raster der gutbürgerlichen Gesellschaft, dann wird mit dem Finger auf dich gezeigt, du wirst angestarrt oder es wird getuschelt. Hinter deinem Rücken. Glauben die. Aber man wächst als Dicke da hinein. Und ich für meinen Teil höre regelrecht die Glocken läuten, wenn jemand über mich vermeintlich heimlich hinter meinem breiten Rücken quatscht. Ich bin es auf jeden Fall wert, dass man so schöne kreative Sachen sagt, wie fette Kuh, Nashorn und was ihr euch noch so an dicken Dingen vorstellen könnt. Die auch weniger nett sind, als so eine flauschige Kuh.
Ich würde lügen, wenn ich sage, dass macht mir nichts aus. Aber mittlerweile gehe ich damit anders um.
Früher habe ich mich noch kleiner gemacht, damit man mich einfach nicht sieht. Unauffällig, unsichtbar, das war meine Devise. Aber da kommst du ja zu nichts, und du bist einfach nichts, außer eben der dicken Kuh.
So wollte ich mein Leben nicht mehr führen. Ich hätte ja mein Leben verpasst. So begann ich, offensiv mit mir und meinem Körper umzugehen. Ich bin eben dick, ich bin so, ich kann es ja nicht verstecken. Die Blicke treffen mich. Aber davon wollte ich mich nicht mehr abhalten lassen, mein Leben zu leben.
Deswegen habe ich meine Strategie geändert. Ich lächle die Menschen nun offen an. Und das nimmt den meisten den Wind aus den Segeln. Ich schaue sie an, nicke den Lästermäulern freundlich zu und das schockiert oder beeindruckt die meisten, dass sie betreten wegschauen. So werden Eisdielenbesuche und abendliche Essen im Restaurant ein Kinderspiel.
Es ist immer wieder himmlisch zu beobachten, wie die Leute reagieren und aussehen, wenn du ihnen zuwinkst, wenn sie dich anstarren, oder sie gar freundlich begrüßt. Herrlich betreten und peinlich berührt. Damit rechnen die nämlich nicht.
Das beste Beispiel ist noch gar nicht so lange her. Brunchen am Neujahrstag. Da holt an sich was zu essen vom Buffet. Wenn du mich als Dicke mit nem Teller siehst, ist mir schon klar, was die Leute denken. So dick und isst was.
Tja, soll vorkommen, dass auch dicke was zu essen brauchen.
Ich habe gelächelt, habe freundlich guten Morgen gesagt. Wegschauen gilt nicht. Und so hatte ich wenigstens Ruhe.
Verletzen tun mich die Menschen immer noch damit. Aber nicht, weil ich mich schlecht wegen meinem Gewicht fühle. Es macht mich traurig, dass die Menschen nicht einen Schritt weiter denken. Ich kann damit umgehen, mittlerweile. Aber wie viele Dicke vielleicht nicht. Das ist ein Teufelskreis, der nur schwer zu durchbrechen ist.