Heute möchte ich versuchen über ein Thema zu schreiben, wasin  meinem Freundeskreis nicht jeder nachvollziehen kann. Meine Liebe zum Theater und zum Chor, indem ich nun seit sieben Jahren (von der allerersten Probe an) bin.

Dieser Chor kam damals genau zur richtigen Zeit. Ich bin mir sicher, das Schicksal wollte es. Ja, Herr F. würde jetzt sagen: „Frau Schröder, Schicksal ist Aberglaube und das gibt es nicht. Dinge passieren einfach ohne Grund.“
Ich glaube, egal wie lange ich Herrn F. sehen werde, da werden wir uns in diesem Leben wahrscheinlich nicht mehr einig.
Aber es ist ja auch vollkommen einerlei, fest steht, mir ging es gerade nicht so gut, als meine Mama den Artikel, dass das Stadttheater Bielefeld einen neuen Chor gründen will, in der Tageszeitung fand. Dort gab es eine Mailadresse und dahin habe ich geschrieben. Ich wollte mitmachen. Ich habe sogar noch die Antwort unserer geliebten Chorleiterin in meinem Archiv. Die werde ich wahrscheinlich nie wieder brauchen, aber ich mag es, wenn ich Dinge habe, die mich daran erinnern, dass das Leben eben schön ist.

Ich erholte mich gerade von einer schweren Rücken-OP und ich konnte noch nicht richtig laufen, weil es immer so sehr in den Ischiasnerv blitzte. Ich hatte noch etwa sechs Wochen Zeit, um wieder auf die Füße zu kommen. Meine damalige Neurochirurgin hielt das für unwahrscheinlich, dass ich am 28.05.2016 auf meinen eigenen Füßen ins Theater maschieren könne.

Ha, aber da hatte sie die Rechnung ohne mich und ohne meinen Ehrgeiz gemacht. Ich wollte so sehr wieder in einem Chor singen, und ich tat alles, diesen Wunsch in Erfüllung gehen zu lassen. Und ich habe es geschafft. Am 28.05, ein Samstag, bin ich mit Bus und Bahn Richtung Stadttheater gefahren. Ich habe damals auf meine schon bestehende Angststörung geschissen (ich wusste zwar nicht, dass ich eine Angststörung habe, aber die Symptome waren schon da) und bin ins kalte Wasser gesprungen.

Ich muss euch wahrscheinlich gar nicht sagen, dass das Beste war, was ich je in meinem Leben getan habe. Ich war verliebt. In einfach alles. In die Chorleiterin, in die Musik, in die Atmosphäre des Theaters, in die Energie, die diese vielen Menschen verbreiteten, die alle gemeinsam einen kompletten Klang erzeugten. Ich wusste genau, hier bin ich richtig.

Und das ist es bis heute. Das Theater ist mein Anker, irgendwie mein Herzenszuhause. Ich habe viele Dinge in den letzten Jahren gehen lassen müssen. Aber der Chor und das Theater blieben. Egal wie schlecht es mir ging, ich habe versucht, keine Probe und keine Veranstaltung, in die der Chor involviert war, ausfallen zu lassen.

Einige konnten und können mich nicht verstehen. Sie verstehen nicht, warum ich selig und vielleicht sogar grenzdebil strahle und lächle, wenn ich singe. Sie verstehen nicht, warum ich auch singen würde, wenn keiner applaudiert (natürlich mag ich Applaus, aber deswegen singe ich nicht). Und sie verstehen auch nicht, dass ich, obwohl schlimme Sachen passiert sind, trotzdem den Drang habe, ins Theater zu gehen und zu singen.

Ich mag euch das erklären und wahrscheinlich klingt das gleich total bekloppt.

In diesem Theater, wenn ich zum Singen fahre, dann darf ich da einfach sein. Es fühlt sich an, als würde ich nach Hause kommen. Ich betrete eine für mich geschützte Welt. Ich begebe mich in meine sichere Bubble, in der mir keiner zu nahe kommen kann und in der ich mich wohl fühle. Die böse Welt und blöde Menschen lasse ich draußen, sie kommen einfach nicht hinein. Und wenn dann noch der Gesang dazukommt, dann finde ich mich. Und ich finde Ruhe. Zufriedenheit. Erfüllung.

Ich habe mich noch nie so ganz gefühlt, wie beim Singen. Ich gebe zu, ich bin keine gute Sängerin. Darum geht es mir auch gar nicht. Es geht mir bei dem Ganzen nicht um Ruhm und Ehre. Ich mache das für mich. Weil es mir gut tut. Und deswegen kommt dieses Strahlen beim Singen in der geschützten Bubble des Theaters von ganz allein. Ich muss gar nichts tun, und kann auch nichts dagegen tun.

Ich weiß, dass einige mir das nicht glauben, aber es ist wirklich so. Ich gehe auch auf eine Bühne, wenn sein muss, wenn mir keiner zuhört. Einfach, weil mein Herz dieses Gefühl braucht. Wenn ich mit dem Chor auf der Bühne stehe, dann bin ich genau da, wo ich sein will.

Ich bin da und nichts geschieht mir. So hat mich der Chor durch die letzten sieben Jahre gebracht. Ich glaube, wenn ich den Chor und das Theater nicht gehabt hätte, ich wäre niemals so durch die Lebensumstände gekommen, wie ich sie jetzt gemeistert habe. Und auch in den letzten Wochen war mir der Chor und das Singen eine große Stütze. Da waren Ziele, auf die ich hinarbeiten konnte.

Und wenn es für diese Bemühungen dann ein wundervolles Lob gibt, von bekannten Menschen, aber auch von unbekannten Menschen oder eben Applaus, dann bestätigt mich das noch einmal mehr, dass ich genau da bin, wo ich hingehöre.

Ich möchte das nie wieder missen und deswegen werde ich immer sofort anfangen zu singen, wenn unsere Chorleiterin anzeigt, dass der Sopran dran ist, auch wenn ich eigentlich weiß, dass sie gerade falsch wutschelt und wedelt. Wenn die Chorleiterin sagt: Sing, natürlich singe ich dann.

Ich bin voller Dankbarkeit und Liebe. Und auch, wenn Menschen mich nicht verstehen, dass ich beim Singen strahle oder ich in den schwärzesten Momenten im Leben trotzdem ist Theater zur Probe gehe, dann ist mir das egal. Im Theater erreicht mich die Kritik nicht, denn es ist meine geschützte Bubble, in der mir nichts geschehen kann und in der ich so sein kann wie ich bin.

Ich weiß noch, dass mir mal ein Chormitglied sagte, ich sei für den Chor viel zu ehrgeizig, das sei übetrieben. Aber das hat gar nichts mit Ehrgeiz zu tun. Das ist einfach nur Spaß und Liebe zum Theater, zur Musik und zur Chorleiterin.

Danke für alles, was ich bis hierhin schon erleben durfte und für all das, was da noch auf uns wartet. Egal was es ist, ich werde alles grenzdebil grinsend mitmachen, weil es mich eben mit soviel Glück erfüllt, dass ich grenzbedil grinsen muss.

Autor

kari@kibo.fm

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