Ich habe eine Aufgabe in der Psychotherapie. Ich soll wütend auf das Schicksal sein und dem Schicksal einen bösen Brief schreiben. Hmmm, das fühlt sich bisher noch nicht richtig an, denn es hilft mir ja nicht weiter. Ich schimpfe so ungern und will nicht, dass man mich doof findet. Nicht mal das Schicksal soll mich doof finden. Selbst, wenn ich alles verfluchen würde, wenn ich dem lieben Gott den Stinkefinger zeigen würde (was ich gestern rein für die Geste mal getan habe in der Therapie), es würde alle zerplatzten, spießigen Träume nicht mehr zurückbringen. Die Seifenblasen haben Blubb gemacht und lassen sich eben nicht mehr zusammenkleben. Egal wie sehr ich eben mecker und das Schicksal zum Teufel jage.
Aber da ich eine folgsame Patientin bin, versuche ich das mal, ganz gegen meine Überzeugung, lächeln und weiter machen. Wer regelmäßig meinen Blog verfolgt, der weiß, dass ich immer sehr versöhnlich mit dem Schicksal umgehe. Es ergibt bestimmt immer alles einen Sinn. Einige erkennt man gleich, andere es spät und die restlichen vielleicht erst, wenn wir beim lieben Gott anklingeln.
Das war bisher meine Überzeugung und ich dachte, damit fahre ich ganz bestimmt ganz gut. Ich habe immer sehr rational gedacht, da sind für Gefühle jetzt nicht so viel Platz. Annehmen, lächeln, nicken, weitermachen. Funktionierte bisher gut. Scheint mir jetzt jedoch irgendwie einen Strich durch mein Leben zu machen.
Doch ich kenne es nicht anders. Meine Mama war für mich immer eine sehr starke Frau, denn sie hat sich nie was anmerken lassen, wie es ihr ging mit Dialyse, mit ihrer Nierenerkrankung, mit dem kranken Herz, mit den ganzen Folgekrankheiten und Medikamenten. Sie machte stets weiter, ohne sich zu beklagen. Sie hat stets aus allem das Beste gemacht.
Und ich habe ihr stets geglaubt. Warum hätte ich meiner Mama auch nicht glauben sollen? Mamas glaubt man halt immer. Sie war da immer mein Vorbild. Und auch andere haben sie bewundert. „Stehaufmännchen“, „stark“, „mutig“, so haben die Menschen meine Mama immer genannt. Sie war eine Löwin.

Und so mache ich das eben auch, weil ich auch stark sein will. Doch ich muss wohl einsehen, dass das nicht der richtige Weg für mich ist. Und wer weiß das schon, vielleicht war meine Mama auch nur uns Kindern gegenüber so stark. Vielleicht hat sie bei ihren Schwestern, beim lieben Gott oder für sich alleine hinter verschlossenen Türen über das Schicksal geflucht.
Nach außen hat sie alles ohne zu stöhnen hingenommen, sei es die Krankheit, meinen Vater oder ähnliches.

Ich weiß nicht, ob es hilft, dem Schicksal mal meine Meinung zu geigen. Aber ich werde es versuchen… Auch auf die Gefahr hin, dass ich nicht mehr die taffe, starke Claudia bin, die immer alles ertragen hat.
Warum liest sich das jetzt eher, als wäre ich so ein kleines schüchternes Dukcmäuschen, was nicht mutig ist, sondern eher schwach?

Okay, und während ich so schreibe, gibt es die nächste Klatsche per Post… Hallo Finanzamt… ich möge bitte die Rente für 2013 und 2014 versteuern, die ich erst 2015 bewilligt bekommen habe. Und weil ich die ja nicht gezahlt habe 2013 und 2014, weil ich ja nicht in die Zukunft schauen konnte, möge ich doch bitte auch noch ordentlich Zinsen nachzahlen. Gehe nicht über Los, ziehe keine 4000 Simleons ein, spenden sie ihre Rente dem Staat.

Ich könnte im Strahl kotzen. Ich glaube, ich bin jetzt in der richtigen Stimmung, dem Schicksal zu sagen, was das für eine Bitch ist. Danke Schicksal, das ist wirklich sehr nett von dir, dass ich meine Hausaufgaben jetzt mit Bravour machen kann!!!!

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Liebes Schicksal,

du kennst mich nicht, denke ich. Du bist zwar da, aber wir haben uns noch nie vorgestellt. Ich bekomme immer nur dein Taten ab, die du so für mich parat hast. Gefragt hast du mich jedoch nie, ob die Sachen, die du mir servierst, denn auch nach meinem Geschmack sind.
Ich gebe zu, ich bin kein Mensch, der sich gerne streitet. Das schlägt mir immer so auf den Magen. Eigentlich mag ich Friede, Freude und Eierkuchen. Und wenn die Sonnes scheint, dann nehme ich auch gerne noch Glitzer dazu, dass macht dass Leben dann so schön funkelnd. Ich mag das Gefühl von einer rosa-weißen Wattewelt, in der es mir gut geht und alles nur Heiteitei ist. Meinstens bekomme ich das auch hin.
Was du mir, liebes Schicksal, für Brocken dahinknallst, dass ging mir am Arsch vorbei. Ich war davon überzeugt, dass lächeln, nicken, weitergehts die beste Strategie ist. Ich dachte, wenn ich dich einfach ignoriere, Schicksal, dann hast du keine Lust mehr, mir deine geballten Fäuste in die Fresse zu schlagen. So wie früher in der Schule. Da habe ich meine Mitschüler ignoriert und bin damit eigentlich ganz gut gefahren. Ich habe mich nicht gewehrt und die haben den Spaß daran verloren, mich zu piesaken und zu hänseln.
Ich dachte bei dir, liebes Schicksal, wäre das ähnlich.

Als das erste geschehen war, vor etwa 7 Jahren, als wir erfuhren, das eigene Kinder bekommen schwer ist, da dachte ich, okay, ist nicht zu ändern, machen wir das beste draus. Ich habe die Tatsache hingenommen und dachte, es gäbe sicher einen Sinn dahinter. Einen Plan, den ich bestimmt begreifen würde.
Als wir aus dem Jugendamt kamen, ich glaube du erinnerst dich, Schicksal, an die Begegnung mit der sehr hochsensiblen Frau, die mich als fette Mutter niemals akzeptieren würde, weil Dicke nicht erziehen können und Sascha und mich als Paar mit 11 Jahren Altersunterschied nicht für voll nahm, da wurde mein Wille noch größer, mich von dir nicht aus der Ruhe bekommen zu lassen.
Den schweren Bandscheibenvorfall und die ständig verschobene OP, und der somit abgestorbene Nerv, den habe ich weggelacht. Es hätte ja alles schlimmer kommen können. Keine Ahnung, Bein ab, Arm ab, Blind oder Tod.
Aber es kam ja schlimmer, mit Entzüdnungen, mehreren OPs und zu guter Letzte einer instabilen Wirrbelsäule und lahmen Bein mein Leben lang, jedoch fand ich das noch immer nicht beklagenswert. Anderen ging es ja noch immer wesentlich schlechter als mir. Ist doch wahr, liebes Schicksal. Kein Auto mehr fahren, Rente mit 37 bekommen, nie wieder seinen geliebten Beruf ausführen können, nie wieder Autofahren und selbstständig agieren können, Schmerzen täglich, eine undichte Blase, wen stört das schon? Das nimmt man halt hin und denkt, ach, was solls, Augen zu und weitermachen. Es begraben und verstecken. Nicht drüber nachdenken, es hätte ja schlimmer kommen können.

Und ehrlich, wer braucht schon ein Eigenheim? Niemand, wenn man doch auch wunderbar zur Miete wohnen kann. Da habe ich dich doch mal ganz kurz scheiße gefunden, Schicksal. Aber das brachte und leider auch kein Eigenheim. Das war vergebene Energie, die ich auf diese Wut verbraten hatte und besser ging es mir danach auch nicht.

Als meine Mama starb, da hätte ich dich am allerliebsten zum Teufel gewünscht. Wenn ich dafür meine Mama wiederbekommen hätte, dann hätte ich das sogar getan. Ich hätte dafür alle meine Prinzipien über Board geworfen. Aber, was hätte es gebracht? Außer, dass einige mich dann für merkwürdig gehalten hätten? Obwohl, dass taten sie wahrscheinlich eh schon, weil ich alles vorher auch so wegstecken konnte und bei Mamas Tod nicht weinen konnte. Da habe ich mich mit meinen Prinzipien und Strategien selbst drum gebracht. Und das nur wegen dir, Schicksal, weil ich mit solchen Dingen halt immer so umgegangen bin. Es ist schlimm, endgültig, nicht mehr umkehrbar? Ach, Claudia, ignorieren und weitermachen. Hat schon alles seinen Sinn!

Die Krönung kam aber dann dieses Jahr, nach 4 Versuchen in einer Klinik und kein Kind. Und diese vier Versuche waren ja auch aus der Kategorie…. wieviel Horror und Stress kann die Alte ab? Du weißt schon, Schicksal…. Verschlampte Proben, keine aufwachenden Zellen, keine Zellen, keine Teilung. Ich kam gar nicht an den Punkt mal schwanger zu sein, das wurde im Keim gleich erstickt…

Soll ich dir was sagen, Schicksal? Mir reicht es. Ich wollte mich nie beschweren, denn eigentlich mach ich aus jeder Zitrone Limonade. Ich kann aber keine Limo mehr sehen. Ich will mal süßen Nektar haben. Ich will nicht ständig nach Alternativen für meine Träume und Wege suchen müssen. Ich habe die Schnauze voll von Sackgassen und Umwegen. Ich bin müde und ich kann nicht mehr.

Und jetzt der neue Schlag in die Fresse. Bye bye Erbe, bye Paris vor Weihnachten. Bye Schuldenfreiheit. Es war schön mal kurz das Land zu ahnen, es tat gut, kurz vom Eifeltrum zu träumen.
Ich habe keine Lust mehr, es kotzt mich so an, dass ich ständig alles abbekomme. Das ist nicht fair, das habe ich nicht verdient und es ergibt alles keinen Sinn. Was soll es für einen Sinn sein? Ich sehe keinen, außer das ich Toni bekommen habe, der da auf meiner Brust sitzt und mir zusätzlich mein Leben schwer macht. Aber soll ich dir was sagen Schicksal? Es braucht mehr, um mich kleinzukriegen oder mich zum Aufgeben zu zwingen.
Ich weiß, dass ich stark bin und alles schaffe. Aber ich will es nicht mehr weglächeln. Und ich will die Sachen auch nicht mehr betrauern müssen. Ich glaube, darauf habe ich ein Anrecht! Denn solange ich diese Ereignisse nicht abgeschlossen habe, weil ich sie einfach ignoriert habe, sehe ich nicht die neuen Wege, die sich ja immer dann auftun, wenn andere verschwinden.

Schicksal, du bist voll die Bitch, aber ich werde dich wohl nicht los. Es kommt einfach darauf an, wie ich mit dir umgehe.

Ob mir das jetzt alles weiterhilft… keine Ahnung. Ich mag sauer sein noch immer nicht. Und ich mag auch das Gefühl nicht, was in mir hochkommt, wenn ich über all das schreibe…. vom drüber reden will ich gar nicht erst anfangen…

Ich Grüße dich, Schicksal, jedoch nicht lieb, denn das wäre jetzt ehrlich gesagt zuviel verlangt…

Wir werden in diesem Leben wahrlich keine Freunde mehr…. Das tut mir Leid. Aber du hättest ja noch ein paar Jahre, um es wieder gutzumachen.

Bis zum nächsten Mal, wenn du wieder den Hammer in meinem Leben schwingst und alle meine Pläne zunichte machst,

Deine Claudia

Autor

kari@kibo.fm

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