3. Drehung
Das digitale Zeitalter bietet ja so manche Kuriosität. Geht nicht gibt es nicht. Alles ist möglich, egal wie schräg. Und ich frage mich, wieso. Ich habe mir dafür das Thema Food-Fotografie auserwählt. Das ist aber eher symbolisch zu verstehen, denn es gibt ja noch so manch anderes, wo ich mich frage, warum zum Teufel fotografiert man Hundehaufen, Handcremes, Unkraut. Hat alles seinen künstlerischen Wert und will ich auch gar nicht drüber urteilen. Wenn ich das mit der Spur von River nochmal aufnehmen darf, dann muss wohl jeder selbst entscheiden, ob Hundehaufen denn so das richtige Motiv sind, um Spuren für die Nachkommen zu hinterlassen. Aber darüber können wir uns ja bei Gelegenheit noch einmal unterhalten.
Ich möchte viel eher das beleuchten, was ich selbst auch schon getan habe. Das Fotografieren und Posten von Bildern, auf denen man Essen sieht. Warum mach ich das? Ja, ich hab das auch schon gemacht, auch auf diesem Blog. So wurde Schokopudding oder ein Gummibärchen zu einem Glücksmoment, weil ich mich darüber echt gefreut habe. Dann gab es Bilder von selbstgemachten Kuchen oder Keksen. Da war ich eben stolz drauf. Ich wollte zeigen, hier schaut mal, das habe ich gemacht. Oder seht, wie gut es mir geht, dieses leckere Steak, das werde ich jetzt gleich verputzen. Das kann ich irgendwie noch verstehen. Es hat zwar nicht viel Sinn, aber erzählt irgendwie dann doch gerade in dem Moment eine Geschichte für mich.
Aber ich folge zum Beispiel Fotoblogs, die posten nur sowas. Lauter leckere Dinge. Die machen den ganzen Tag nichts anderes. Und da frage ich mich, warum? Wo ist der Sinn? Macht es sie immer glücklich, haben sie es immer selbst gemacht? Ich werde das wohl nie begreifen, wie man einen Blog nur mit Essen vollpacken kann, und dann nicht mal die Rezepte verrät.
Ich hab dafür jedoch eine Theorie ausgegraben und wer weiß, vielleicht sollte ich das echt mal ausprobieren.
Wenn ich mir die Blogs so ansehe, dann sind es meistens Frauen, die spindeldürr sind. Wenn die aber das alles, was sie da posten (und ich hoffe mal, es sind ihre Bilder, so von wegen Urheberrecht und so) selbst essen würden, dann stellt sich mir ja echt die Frage, wie die so schlank bleiben. Und da ging mir ein Licht auf. Die machen ein Bild von himmlischen Sachen, die man sogar fast riechen kann und sagen sich: Nur gucken, nicht anfassen. Du hast die Idee, wie es schmeckt, aber du wirst es nicht essen. Es ist eine Diät. Besser gesagt, die psychologische Stütze. Schau es dir an, schmeck es aber nicht. Oder wie soll ich das sonst verstehen?
Bei mir jedoch würde das sicher nicht passieren. Ich schau mir so ein Bild nur an und schon sitzt die Hose enger. Das ist Körperverletzung. Kann ich die jetzt alle verklagen? Hier, wegen euch bin ich so dick. Nur wegen euren Bildern. Aber ich bin ja auch selbst schuld, wenn ich diese Bilder konsumiere. Tja, dumm gelaufen. Ich weiß nicht warum, aber immer wenn ich so ein Bild sehe, dann spielt mein Gehirn verrückt, der Speichel fließt und ich bekomme Lust. Okay, ich entfolge diese Dinge, das ist ja schon Sadomaso. Echt mal. Ich kann doch das nicht schräg finden und selber diesen Leuten folgen. Karis Schizophrenie hat zugeschlagen. Hallo Waffelkopf.
Ich verurteile sicher keinen, der nur Essen fotografiert. Und sicher werde ich das in Zukunft auch immer mal wieder machen. Aber den Sinn werde ich mir wohl nie ganz erschließen können. Denn was ich noch lieber mache, als es zu fotografieren, ist das Essen. Und da vergesse ich dann auch die Fotografie und das Bloggen darüber.
Das ist sicher ein Phänomen des digitalen Zeitalters. Oder habt ihr vor den Smartphones mit euerm Fotoapparat in einem Lokal gesessen und euer Essen abgelichtet und es zum Entwickeln gebracht? Oder sind in euren Fotoalben Bilder von Torten und Braten?
Obwohl? Wartet. Wenn ich mir meine Bilder der Erstkommunion ansehe, da haben meine Eltern den Tisch mit den Torten fotografiert. Ich hab nachgefragt warum. Die Antwort war. Das war eben damals so. Toller Grund.
Was sagt mir das über einen Menschen, der das nur tut? Ist das Internet und das Bloggen so wichtig, dass dieses Vorhaben dringender ist, als die Nahrungsaufnahme. Ich kann da nur vermuten. Der Drang, erst Foto, dann Essen, das wird sich mir wahrscheinlich nie so ganz erschließen. Wie sagen meine Eltern so schön: Das ist eben so.
Vielleicht will man halt einfach, schöne und auch leckere Dinge festhalten, in Erinnerung behalten. Der Geschmack reicht da wohl nicht aus.
Ich überlege mir in Zukunft jedoch zweimal, warum ich das Essen fotografiere. In anderen Teilen der Welt kämen sie da sicher nicht drauf. Willkommen in der schönen Welt der Völlerei. Nahrungsaufnahme wird bei uns zur Kunst, woanders ist es nur Brot. Für mich hat so ein Foto nicht viel mit Genuss zu tun, den erlebe ich dann eher auf der Zunge.
Liebe Kari,
du stellst dir die Frage warum die Menschen ihr Essen fotografieren.
Ich versuche mal einen Denkanstoß zu geben.
Früher, als die Menschen ständig Hunger leiden mussten und die Fürsten reichlich und dekadent speisen konnten, war essen ein Zeichen von Reichtum und Wohlstand. Ich mutmaße, das diese geschichtlich – gesellschaftliche Erfahrung bis in die heutige Zeit transportiert wird und unbewusst mit dem Zeigen die Aussage getroffen wird: Schau mal! Mir geht es gut weil ich dieses tolle Gericht essen konnte!
Was meinst du?
River Green
Das könnte ein Beweggrund sein. Aber auch den sehe ich kritisch. Nahrung als Statussymbol, da verschwimmt für mich persönlich die Grenze zum guten Geschmack 😉