Am 01.07.2018, da ist es soweit. Der Chor One Voice wird auf der Bühne stehen, einen ganzen Abend lang, als alleiniger Programmpunkt. Das ich da dann doch ein wenig aufgeregt bin, dass muss ich ja nicht erwähnen.
Natürlich kenne ich das schon. Ich meine, hey, man mag es mir nicht ansehen. Und eigentlich bin ich ja so rein privat eher die Stille, aber wenn es um eine Bühne geht, dann kenne ich nichts. Da werde ich dann zur Rampensau. Egal, ob ich was moderiere (für Kibo.FM), oder singe (alleine oder mit Sascha) oder auch schauspielere (Theater AG in der Schule). Ich bin in den ersten Sekunden auf der Bühne voll mit Lampenfieber und dann wird ein Schalter umgelegt. Da befinde ich mich in meiner kleinen Welt und es macht mir einfach Spaß, was ich da tu. Und das kam bisher auch immer bei den Menschen an. Lob und Zuspruch tun nach so einem Auftritt so unsagbar gut. Vor allem das Lob letztes Jahr nach dem Auftritt beim Theaterfest war toll. Es kam gezielt eine Dame auf mich zu, strahlte mich an und sagte, wie toll wir doch gesungen hätten. Diese Bestätigung ist es, die ich brauche und für die ich das alles auf mich nehme. Andere holen sich das im Job oder in der Familie. Mein Job und eine Art Familien- (Kind?-) Ersatz ist eben der Chor. Jeder Mensch mag es doch schließlich, wenn er für seine Leistungen Anerkennung bekommt.

Auf diesen Auftritt freue ich mich schon, seit der Termin bekannt ist. Aber neben der Freude steckt da noch so viel mehr drin, was mich die letzten Wochen immer mal wieder aus der Bahn geworfen hat und was ich erst gar nicht zuordnen konnte. Und ich glaube, ich muss dieses Gefühl hier einfach mal aufschreiben. Vielleicht sortiert mich das und ich kann voller Vorfreude am Sonntag auf diese Bühne huschen, ohne das Gefühl zu haben, dass ich gleich weinen muss.

Was ist mein Problem?

Ich muss einfach anfangen zu weinen, während der Chorprobe, bei Liedern, die auf den ersten nicht so viel Bedeutung haben….

Was ist meine Frage?

Warum?

Mein Erklärungsansatz!

Musik war schon immer eine Art Trigger für mich. Musik drückt aus, was ich fühle und wie es mir geht. Und sie sortiert meine Gedanken. Die letzten anderthalb Jahre hat mir die Musik und der Chor so sehr geholfen und mich auf meinem Trauerweg begleitet. Aber weinen war noch nie wirklich meins. Die ganze Zeit habe ich meine Trauer runtergeschluckt. Mittlerweile weiß ich, dass das falsch war und das arbeite ich mit einem Therapeuten auf. Doch die Tränen, die ich in mir habe, die sind ja nicht weg. Die habe ich einfach nur fein säuberlich verpackt, zugedeckt und beiseite geschoben, in der Hoffnung, dass das irgendwann von alleine weggeht.

Tja, was soll ich sagen? Da ging nichts von alleine weg. Und so heule ich, wenn ich Mails öffne und ich dabei erfahre, welche Lieder wir im Chor singen werden. Dann heule ich bei Fields of Gold, das Lied, das ich im Gesangsunterricht gesungen habe, als meine Mama gestorben ist. So heule ich bei Proben bei Aux Champs Élysees, weil ich weiß, dass sie so stolz auf mich wäre.

Ich versuche zwar, das alles nicht zuzulassen, aber dann verkrampfe ich mich und ich kann nicht mehr so schön singen. Dann fließen keine Töne mehr. Und wenn ich es zulasse, dann kann ich nicht singen, weil ich heulen muss. Leider dauert das immer nur ein paar Sekunden und dann geht das wieder weg. So richtig lange kann ich es nicht zulassen. Es verebbt einfach wieder. Dabei glaube ich ganz fest daran, dass, wenn ich es einmal zulassen könnte, mich darin wälzen könnte, dann wäre dieser schlimme Kloß im Hals, den ich ja schon lange habe, einfach weg.

Aber, der geht einfach nicht weg und ich kann mich nicht in der Trauer wälzen.

Fazit?

So bleibt mir wohl nur voller Stolz und voller Emotionen am Sonntag auf die Bühne zu stiefeln, bei Fields of Gold alle meine Liebe reinzulegen und einfach die Schnauze halten, wenn ich weinen muss. Dann ist das eben so….
Die Ode an die Freude würdevoll gen Himmel schmettern, in der Hoffnung, dass sie es hört und unendlich stolz auf mich ist.

Aux Champs Élysees wird voller Inbrunst gesungen, für Oma und Mama, weil die französische Sprache ja immer schon wie Musik für sie erklang.

Und alle anderen Lieder singe ich für mich voller Stolz, weil der Weg bis zu diesem Tag voller Achterbahngefühle war, ich sie aber trotz Panik, Zweifeln (ob ich das mit dem Stehen packe), Frust (wegen dem blöden Rücken und Bein) und Sorge (das ich weinen muss, ich nicht mit auf die Bühne kann, wegen den „Einschränkungen) gemeistert habe. Mit einem tollen Therapeuten, mit einer zauberhaften Chorleitung, mit so wunderbaren Mitsängern und mit so viel Musik, die mich immer aufrecht gehalten hat.

Und wenn dann die Tränen fließen? Dann bin ich eben nicht allein…

Ich bin dankbar, für alles, was ich erleben konnte. Und den Rest schaffe ich auch. Zuversichtlich werde ich die nächsten Hürden der Therapie gegen die Panik und die Trauer und die Tränen nehmen, denn da ist immer die Musik, die mich im Herz begleitet und mir meine Erinnerungen schenkt! Die mich zum Weinen, aber auch zum Lachen bringen!

Nach dem Auftritt werde ich berichten. Das wird spannend.

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