Montag wird es 12 Wochen her sein. Drei Monate ohne meine Mama. Und wir haben soviel ohne sie geschafft und trotzdem fehlte sie an allen Ecken und Enden. Wie oft ich in den letzten Wochen einfach geheult habe, weil sich so vieles verändert hat, das kann ich nicht sagen. Es überkommt mich einfach. Und ich kann dagegen nichts tun.
Ich versuche stark zu sein, alles zu meistern was das kommt und meine Gedanken zu sortieren. Ich höre Musik, schreibe Texte und Gedichte und es entstehen wunderbare Sachen aus meiner Trauer heraus. Weil ich diese Dinge aber auch jetzt erst empfinden kann. Es ersetzt meine Mama nicht und am liebsten würde ich auf alle diese Dinge, die dieses neue Musikempfinden in mir auslöst wieder abgeben und meine Mama wiederhaben wollen.
Aber ich weiß, dass das nicht geht.
Ich spüre, dass viele der Außenstehenden nicht verstehen können, dass ich noch immer nicht so kann, wie ich will. Das ich noch so bin wie ich bin.
Ich bin zum Beispiel wieder zurück in die Radioleitung von unserem kleinen Internetradio
www.kibo.fm
gekehrt.
„Aber nur, wenn du auch bleibst und beständig bist.“
Ich habe zu dieser Forderung nichts gesagt, denn ich weiß, dass ich das nicht versprechen kann. Weil man Leben eben nicht auf diese Art planen kann. Und auch die Trauer kannst du nicht planen. Sie kommt immer wieder hoch und wird nun für immer ein Teil meines Lebens sein. Ich habe diese Erfahrung nun gemacht. Meine Mama verloren und das geht ja nicht einfach weg. Denn diese Tatsache des Fortgehens ist nicht mehr rückgängig zu machen. Es ist nun so, eine Tatsache, an der nichts mehr zu rütteln ist. Wie kann ich da sagen, ich bleibe beständig, wenn diese Trauer in mir ist.
Natürlich wird sie immer ein wenig mehr verblassen. Aber sie geht nicht einfach weg.
So ein kluger Satz ist ja
„Die Zeit heilt alle Wunden!“
Ein Scheißdreck tut die Zeit. Die Wunde mag zwar heilen. Sie blutet nicht mehr jeden Tag so stark wie zu Anfang. Aber es legt sich eine Kruste auf die Wunde, die immer wieder aufreißen wird. Und irgendwann bleibt eine Narbe zurück, die aber da ist und bleibt. Und die man immer wieder spürt, wenn sich das Wetter ändert. So wie ich eben meinen Fuß spüre, den ich mir vor Jahren gebrochen habe, wenn sich das Wetter ändert.
Ich glaube die Trauer ist wie so eine blöde, fiese Wollmaus wenn du Tiere hast. Du kannst immer wieder Staubsaugen, aber sie sammelt sich immer wieder an Orten, die du mit dem Staubsauger nicht erreichst, und auch nicht siehst. Und wenn du es nicht erwartest, dann kommt die Trauer aus dem Loch, oder eben diese Wollmaus, und du musst den Staubsauger wiederholen, um sie loszuwerden.
Ich werde damit leben lernen, aber wie soll das so schnelle gehen, wenn ich 39 Jahre nicht wusste, wie sich das anfühlt?
Ich will nicht jedes Mal sagen, mir geht es schlecht. Ich will nicht schief angeschaut werden, von sogenannten Freunden, weil ich singe und das in die Öffentlichkeit stelle. Weil mir das gut tut. Ich will nicht dafür kritisiert werden, weil ich nicht versprechen kann, beständig zu sein.
Ich will, dass man mich so hinnimmt. Mit meiner Wut im Bauch, dass sich alles verändert hat. Mit meinem Weg, mich mit der Musik auszudrücken. Ich will einfach, dass man mich sieht und mit mir weitergeht. In dieser Trauer, die noch immer so schlimm ist, dass ich manchmal einfach nichts geschissen bekomme. Ich will Verständnis, dass ich nicht mehr alles einfach so machen kann. wie ich das will.
Für die paar Menschen, die mich begleiten, bin ich dankbar. Und die, die mich schräg anschauen? Die, die mir so etwas sagen wie: „Trauerst du immer noch? Kannst du denn nicht loslassen?“
Denen möchte ich brüllend meinen Stinkefinger ins Gesicht halten.
Ich will mich nicht rechtfertigen.
Jeder trauert anders.
In der Trauergruppe fiel ein Satz:
„Am allerschlimmsten ist es, wenn man seinen Partner verliert.“
Ich hätte kotzen können. Für mich ist es schlimm, meine Mama nicht mehr zu haben. Warum zum Teufel nehmen sich Menschen die Frechheit heraus, Trauer zu bewerten? Wie kann man bitte Gefühle von Menschen bewerten? Die sind individuell und niemand hat das Recht über anderer Leute Gefühle zu urteilen.
Aber auch das habe ich die letzten Wochen erlebt. Und das führte zu weiteren Verlusten, die Trauer mit sich brachte.
Ich kann für meine Gefühle nichts, die in mir wohnen, aber ich kann mit ihnen umgehen, in dem ich Dinge mache, die gegen diese Gefühle wirken und sie besser machen.
Wie mit der Musik oder zu vermeiden mit den Auslösern Kontakt zu haben….
Aber, diese Gefühle sind noch da.
Die Trauer.
Sie ist wie ein häßlicher Fettfleck an der Wand. Du kannst sie überstreichen, ein Bild drüber hängen, sogar tapezieren. Du kannst versuchen diesen Fleck zu verbergen. Aber er bleibt. Unwiderruflich und bis zu deinem Ende. Tief in deinem Gedächtnis. Und es wird sich immer wieder einen Weg ebnen, so wie auch dieser Fettfleck immer wieder kommt.
Es verändert etwas in dir. Bringt Neues in dir zum Vorschein, weil du nun neue Gefühle kennst, macht aber auch was kaputt, was unwiederbringlich ist. Ich bin froh, dass mir texten von Songs jetzt so einfach fällt, auch wenn mein Gesang und meine Musik nicht jedem gefällt. Aber ich bin traurig, das meine Mama das nicht mehr hören kann.
Ich glaube aber fest, dass es bis zum Himmel steigt. Und so mache ich das für sie und lasse mir von keinem sagen, dass die Trauer, mein Gesang oder meiner Gefühle nicht richtig sind. Wären sie Freunde, wüssten sie, dass das alles normal ist, oder würden es wenigstens akzeptieren und bei mir bleiben.
You tell me, I can´t sing this song,
but this is, where my heart belongs.
This melodie is my song,
this is where my heart belongs.