Der 16. April 2020 ist heute. Genau vor einem Jahr starb mein Papa. Vor diesem Tag hatte ich Angst, ohne es so richtig zu wissen. Doch je näher das heutige Datum rückte, desto mehr Bauchschmerzen bekam ich und mein Schlaf war alles andere als gut. Jetzt sitze ich hier, irgendwie müde, und will so gerne was schreiben. Was über meinen Papa. Doch mir fällt nichts weltbewegendes ein. Nichts, was irgendwie von Mehrwert wäre.
Wir waren auf dem Friedhof. Nicht gerade mein Lieblingsort, aus Gründen. Ich bekomme jedes Mal, schon beim Gedanken daran, Panik und Beklemmungen. Das letzte Mal war ich im Dezember dort. Ich drücke mich meist erfolgreich davor.
Etwa genau um diese Uhrzeit, 17:13 Uhr, habe ich letztes Jahr im Krankenhaus angerufen. Einfach um zu erfragen, wie denn die OP verlaufen sei. Man konnte mir noch nichts sagen, denn die OP war noch im vollen Gange.
Eine Stunde später rief ich erneut an. Da konnte man mir auch nichts sagen, man wollte mich aber zurückrufen. Und dieser Rückruf war fühlte sich so falsch an.
Die Ärztin war sehr nett und sagte, es sehe sehr schlecht aus.
Das kam gar nicht wirklich bei mir an, erstmal. Bis ich dann im Krankenhaus war. Mein Papa, beatmet. Ich konnte nichts mehr anderes machen, als ihn in seinen letzten Stunden zu begleiten. Und das war das Schwerste, was ich in meinem Leben gemacht habe. Ich habe einfach alleine am Bett gesessen, seine Hand gehalten und mit ihm geredet. Ich weiß nicht, ob er noch was gehört hat, die Krankenschwester sagte, er würde nichts mehr mitbekommen. Aber ich redete weiter. Wahrscheinlich einfach, um mich zu beruhighen.
Mein Vater ging in dem Moment, als meine Schwester kam. Er hat sicher noch war gehört, denn ich hatte ihn darum gebeten, erst zu gehen, wenn sie da wäre. Auf die Sekunde genau hat er sich dran gehalten.
Ich weiß, wir haben uns nicht immer gut verstanden. Aber das lag nicht daran, dass ich ihn nicht geliebt habe, und ich bin mir sicher, auf seine Art hat er auch seine Kinder geliebt. Ich glaube viel mehr, dass wir uns eben wirklich sehr ähnlich waren und es deswegen immer wieder geknallt hat.
Ich vermisse ihn sehr. Es ist ein anderes Vermissen, als bei meiner Mama. Aber er fehlt.
Zu Ostern gab es ein Präsentei letzte Woche. Das mit den Pralinen drin. Einfach, weil Papa es so geliebt hat.
Ein Jahr ist jetzt um.
Es wird gesagt, dass erste Jahr ist das schlimmste und dann wird es weniger.
Das kann ich mir nicht vorstellen.
Selbst nach drei Jahren ist die Trauer um meine Mama noch genauso da.
Was ich aber weiß, es wird irgendwann Alltag und gehört dazu.
Im vergangenen Jahr, habe ich mich ganz schön verkrümelt. Aber das war und ist auch nötig. Denn ich weiß, wie blöd einige waren, als die Trauer um meine Mama so neu war. Diese Sprüche wollte ich mir nicht wieder einfangen. Und dennoch kamen Sprüche.
Sei doch froh, es war ja nicht leicht mit ihm.
Jetzt hast du wieder mehr Zeit für dich.
Ach, das wird schon wieder, wirst sehen.
Ich mag das alles nicht mehr.
Eigentlich will ich beide nur wieder haben. Aber das geht wohl nicht. So bleibt mir nur, immer weiter machen und mich vor den anderen schützen, so gut es eben geht.
Ich weiß, dass mein Papa und auch meine Mama immer bei mir sind.
Ein Jahr ist es nun her. Schon, oder auch erst. Und es tut noch immer weh. Ich weiß, dass viele um mich herum mich nicht verstehen. Aber wie sollen sie auch, wenn ich mich selbst nicht verstehe.
Es ist ein wenig so, als wäre einem der Boden unter den Füßen weggerissen. Die Wurzeln sind weg. Da ist nichts mehr, wo man hingehen kann und wo man beschützt wird. Ich habe das Gefühl, nicht mehr ganz zu sein.
Es fehlt. Papa fehlt. Papa, du fehlst.
Pass da oben auf dich auf. Wir schaffen das schon irgendwie hier. Und irgendwann, da bin ich mir sicher, da können wir uns wieder streiten.