Wir haben den Umzug fast geschafft. Und wir versuchen uns einzuleben und einen Rhythmus zu bekommen nach dem vielen Stress. Das ist gar nicht so leicht wie man denkt. Ich drücke noch immer im Fahrstuhl die 3 obwohl ich nur in die zwei muss. Ich versuche ab 20 Uhr leise zu sein, weil es in der anderen Wohnung so Gesetz war. Ich versuche sogar Leuten aus dem Weg zu gehen, weil ich Angst davor habe, Ärger zu bekommen, oder irgendwas falsch gemacht habe….
Aber gestern Abend, als wir nach Hause kamen gab es ein Zeichen für fröhliches, lebendiges Leben. Kinder aus dem Haus haben mit Kreide auf die Steine gemalt. Im alten Haus wäre das undenkbar gewesen.
Was macht Leute so verbittert und engstirnig, dass man nicht tolerant nebeneinander leben kann?
Viele ältere waren nett. Aber es gab eben auch die Oberfeldwebelfraktion. Ihr Gesetz galt. Geräusche waren nicht gestattet. Veränderung wurden nicht gerne gesehen. Alle jungen Menschen, die in dieses Haus zogen, wurden skeptisch beäugt. Und kontrolliert.
Ich glaube, es hatte wirklich was mit Angst zu tun. Man hatte immer vor Augen, dass man sich mit der Zeit eben auch verändert. Menschen, mit denen man zu Anfang in das Haus gezogen war, starben und man selbst wurde auch älter. Neue Nachbarn kamen. Jung, das ganze Leben noch vor sich. Das zeigt einem die Vergänglichkeit auf.
Das hat mich drei Jahre lang wirklich beeinflußt. Ich bin durch die Wohnung geschlichen, habe versucht nicht zu laut zu lachen, hab mich fürs Niesen entschuldigt.
Hier jedoch ist Leben mit Alt und Jung. Samstagabend um 23 Uhr war unter uns noch laute Musik zu hören, auch gestern hörten wir es wieder. Und heute Kreidezeichnungen.
Leben, Geräusche, Spaß. Ich beginne mich hier wohlzufühlen. Es zeigt, dass es auch anders geht!