Manchmal erlebe ich Situationen im Leben, die mich wahnsinnig machen. Im Moment macht mich eigentlich ein ganz lieber Mensch total irre.
Er hat ein Projekt und sehr hohe Ziele und Vorstellungen. Er weiß genau, wo er hin will, sehnt sich nach Anerkennung und Erfolg. Er begleitet Menschen, die annähernd dasselbe machen wie er. Aber während die kommen, sehen und nach einem Wimpernschlag siegen, ackert er und ackert er und wird nur müde belächelt. Und das raubt ihm alles.
Er lässt sich abhängen und zieht sich zurück. Weil er kein Vorankommen sieht.
Ich weiß, dass es kein Vorankommen gibt, weil er einfach nicht weitergeht. Er bereitet seine Sachen akribisch vor, investiert Zeit, Mühe und Geld, damit alles so wird, wie er das selbst will. Er macht vieles selbst, anstatt auf schon Bestehendes zurückzugreifen. Das kostet Zeit, aber macht sein Projekt dann nochmal individueller, zeigt mehr Liebe und mehr Verstand für die Marterie. Und es hebt hervor und macht sein Projekt zu etwas besonderem. Oft hat er auch Dinge, die noch keiner hat, weil er es von der Pieke auf selbst macht. Er macht es niemandem nach, imitiert keinen, weil er mit den Sachen, die er tut, vielleicht nicht alleine ist, aber was bei ihm entseht einzigartig ist. Das hat er geschaffen und er trägt es in die Welt.
In dieser Zeit jedoch, wo er diese Dinge vorbereitet, sich ausmalt, wie grandios die Menschen vielleicht reagieren, machen andere aber mehr, schneller, öfter ihre Projekte. Denn sie greifen auf Bestehendes zurück, so dass es eines von vielen ist. Der Mensch, der mich irre macht, sieht das natürlich. Er sieht nur noch die Staubwolke von denen, die später angefangen haben, nur mit ihrem Fähnchen wedeln und schnurrstracks, manchmal auch durch seine Hilfe, an ihm vorbeiziehen.
Ich kann verstehen, dass es tierisch frustet. Wenn die Ernte einfach länger dauert. Vor lauter Frust sieht er aber das Wesentliche einfach nicht. Er hat das, was so viele nicht können, nicht machen. Aber es dauert ihm zulange, er hat keine Lust zu warten, keine Geduld. Er beginnt immer wieder loszulaufen, dann kommt die Staubwolke der Überholenden, er setzt sich hin, hustet, und kriecht wieder zurück. Um wieder neuen Mut zu schöpfen und wieder und wieder anzufangen. Anstatt stetig weiter zu machen an dem Punkt, wo er eben gerade ist und zu vertrauen, das nur Dinge gut werden, die eben lange dauern. Die Zeit benötigen, die nur mit Liebe und Hingabe wachsen können.
Ich weiß langsam nicht mehr weiter. Ich bin nämlich die, die jedes mal an der Startlinie steht und ihn wieder zum Start zurückkriechen sieht, immer wieder sage ich ihm die gleichen Sachen, um ihm neuen Mut zu geben, um ihn zu motivieren. Manchmal denke ich, ja, jetzt hat er es, die Kraft einfach durchzuhalten, jede Hürde zu nehmen und sich über kleine Erfolge zu freuen. Aber er will diese kleinen Sachen nicht. Er will Herkules sein, von null auf 10000 in Null Komma nix. Obwohl es doch eben die kleinen Sachen sind, die immer wieder Flügel verleihen. Was bringen sofort die Megaschwingen, die nach einem Mal schon da sind, wenn sie doch nur mit Wachs befestigt sind, für den einmaligen Höhenflug. Die an der Sonne dann schmelzen und der, der sie trägt dann ganz tief fällt? Dann doch lieber langsam die Schwingen ausbreiten, üben zu fliegen, den freien Fall auch immer mal wieder zu spüren, um zu merken, wie es ist, wenn man auch mal wieder fällt. Das tut dann so viel weniger weh. Und lässt einen viel öfter Freude über kleine Höhen empfinden. Kann genießen und sich auch mal kurz zurücklehen.
Bei den Wachsflügeln musste ganz schön ackern, um nicht zu fallen.
Ich kann mich drehen, so oft ich will, ich hab keine Ahnung mehr, was ich tun soll…
Ich kann nur weiter da stehen und der Fels in der Brandung sein, vielleicht geschieht ja irgendwann ein Wunder!?