Erwähnte ich schon einmal, dass ich eher so der Morgenmensch bin und nicht so die Nachteule? Ich bin gerne Morgens schon zeitig wach, auch an einem Sonntag. Ich hab das Gefühl, dass ich dem Tag beim Beginnen begleiten muss. Und es kommt mir vor, als hätte ich einfach viel mehr vom Tag, auch wenn das faktisch ja nicht stimmt, weil ich einfach eher im Bett bin als andere.

Ich liege im Wohnzimmer auf dem Sofa. Der Sonntag ist grau. Vor dem Fenster in der Tanne sitzt eine Krähe und macht diese typischen Krähen Kreischgeräusche. Die Uhr tickt, unaufhörlich, immer weiter: Tick Tack Tick Tack.

Es ist ein Fortschreiten der Zeit, keiner kann das aufhalten. Aber ich will doch jetzt gar nicht nachdenken. Ich will ganz bei mir sein, die Uhr ticken lassen, die Krähe kreischen lassen. Ohne es zu bewerten.

Ja, ich mache meine Achtsamkeitsübungen weiter. Um aus mir selbst die Kraft zum immer wieder weitermachen zu schöpfen. Ich weiß, das hört sich voll abgedreht an. Und so langsam beschleicht mich auch das Gefühl, dass ich im Alter merkwürdig werde. So hab ich vor ein paar Jahren nicht gedacht, da hab ich so einen Hokuspokus belächelt. Für mich waren das immer Spinner. Jetzt jedoch merke ich, ich hatte unrecht.

Ich brauch diese Erinnerung, die Tatsache, dass ich ganz im hier und jetzt bin. Ich kann nicht ändern was war. Und was kommt, kann ich nicht vorherbestimmen. Ich kann den Moment nur annehmen und ihn leben. Glücklich, traurig, beschwingt, niedergeschlagen. Das liegt an mir.

Und dennoch gehen mir die letzten Stunden Gefühlschaos im Kopf herum.

Ich hatte eine wunderschöne letzte Chorprobe vor den Sommerferien und bin ein wenig traurig, dass nun fast 8 Wochen Pause ist. Ich habe über ein Jahr gebraucht um die ersten Menschen näher an mich ran zu lassen und die sind mir so sehr ans Herz gewachsen und so wichtig, dass ich es kaum beschreiben kann. Natürlich ist das alles halt auf Chorbasis. Aber… ich weiß nicht, allein die Tatsache, dass uns die Musik verbindet und wir mit einer wunderbaren Chorleiterin richtig tolle Zeiten erleben verbindet sehr. Ich bin gerne ein Teil des Chores, auch weil er meiner Seele stets eine Heimat gibt.

Neben den ganzen Hochgefühlen von gestern mischt sich jedoch auch eine Traurigkeit und Resegnation. Mein Vater muss wieder ins Krankenhaus, ein Zeh muss wegen offener Stellen durch Diabetes amputiert werden. Dass das schwer ist, das ist mir klar. Aber so fertig habe ich ihn selten erlebt. Weinend und gleichzeitig wütend und jeden abweisend. Heute werdén wir nicht wie gewohnt uns alle treffen und Mittag machen. Mein Vater will uns nicht sehen. Und das trifft mich sehr. Unsere geliebte Familientradition. Mein Vater scheint irgendwas quer zu sitzen und er hat es gestern geschafft mir ein mordsmäßiges schlechtes Gewissen zu machen, obwohl das Blödsinn ist. 

Sein Vorwurf: Wir kümmern uns ja nicht um ihn und er will nie wieder Hilfe von uns. Ich weiß, dass ich alles tu was ich kann. Man kann mir keine Vorwürfe machen. Jeden Tag schaue ich nach dem Rechten, springe wie es mir möglich ist, aber es ist niemals genug… Für ihn.

Ach ja, die Achtsamkeit. Ich kann auch die Zufriedenheit oder Unzufriedenheit von meinem Vater nicht ändern, ich kann das Ticken der Uhr nicht aufhalten. Sie sagt: Ätsch, Chorpause! Aber sie sagt auch: Mit jedem Ticken kommt die erste Chorprobe nach den Ferien näher.

Zum Glück bleibt die Musik, egal wie die Uhr tickt und egal wie die Krähe kreischt. Noch 2 Mal Gesangsunterricht, bevor da Ferien sind. Noch 2 Mal Proberaum. Dann setzen Sascha und ich uns an das Album, was gerade entsteht, wir geben ein Sofakonzert mit unseren Songs und vielleicht, ganz vielleicht suche ich mir noch einen zweiten Chor. Aber das weiß ich jetzt noch nicht.

Ich fokussiere mich jetzt auf den Moment. Ich muss jetzt mal was für Projekt Felix tun, dann mach ich mir Kaffee.

Noch schläft alles hier, aber das ist gut, denn da wartet ein Buch auf mich, was achtsam gelesen werden will. In diesem Sinne, genießt einfach jeden Augenblick, denn so wie er ist, ist er eben. Was ihr draus macht liegt immer in eurer Hand. Ich hab euch lieb, danke dass ihr meine stillen Wegbegleiter seid.

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