Wie sagt man so schön? Manchmal muss man sich trennen, um sich nah zu sein. Diese Worte scheinen schmerzlich wahr zu sein.
Ich erlebe es im Moment sehr. Meine Mama ist nicht mehr da, aber ich fühle mich ihr so nah, wie ich es noch nie erlebt habe. Das klingt so grotesk, wenn ich das schreibe, dass ich hier nur an meinem Laptop sitzen kann und den Kopf schüttel. Es ist so surreal.
Aber es ist wie es ist.
Seit Mama gestorben ist, habe ich viele Aufgaben übernommen, die sie sonst gemacht hat. Aufgaben, die sie für meinen Papa erledigt hat, Aufgaben, die sie in der Familie erledigt hat. Und ich erlebe vieles, was Mama sonst erlebt hat.
Einen grantigen alten Vater… Eigentlich sollte ich das nicht schreiben, aber ist ja wie es ist.
Ich meine es auch nicht böse, genauso wie mein Papa es nicht böse meint. Aber in den letzten Wochen kann ich meine Mama viel mehr verstehen. Ich weiß, warum sie Sachen gemacht hat, wie sie sie gemacht hat. Ich verstehe, warum sie gehandelt hat, wie sie handelte. Ich weiß warum sie so war, wie sie war. Weil ich jetzt so bin.
„So will ich niemals sein!“
Ein Satz, den Jugendliche oft sagen. Aber keine Chance. Irgendwann merkt man, man hat viel von seiner Mutter, und auch von seinem Vater.
Was aber passiert, man findet es oftmals nicht mehr schlimm. Weil man nachvollzieht, warum Dinge so sind. Weil man sie selbst erlebt. Auf die eine oder andere Weise.
Ich weiß, warum meine Mama, obwohl es ihr nicht gut ging, oft auf Achse war. Ich weiß, warum sie so gerne Facebookspiele gespielt hat. Und ich weiß, warum sie Papa soviel abgenommen hat. Obwohl er eigentlich alles selbst machen könnte. Ich mache es jetzt nicht anders, aus den gleichen Gründen. Und das verbindet mich im Moment so sehr mit meiner Mama. So sehr, dass es weh tut. Da ist so viel von ihr in mir, dass es mich zerreißt und ich sehr nah am Wasser gebaut bin.
Vielleicht ist es das erste Mal wichtig zu fragen, wer bin ich eigentlich?
Das muss ich tun. Denn mein Vater merkt ebenfalls, dass ich viel von meiner Mama habe. Er kann grantig mit mir umspringen, mir das Gefühl geben, ich mache nichts richtig, nichts im richtigen Tempo. Er behandelt mich wie früher Mama. Weil ich in dieser Beziehung eben viel von meiner Mama, ich bin viel zu besorgt, hilfsbereit und bekomme schnell ein schlechtes Gewissen.
Aber auch wenn ich ihr so ähnlich bin und ihr so nah bin, bin ich nicht meine Mama.
Das hat ja sogar meine ach so tolle Patentante mitbekommen. Ich bin nicht wie Mama, mit mir kann man ja nicht reden. Richtig. Ich hab viel von Mama, aber ich bin nicht Mama.
Nur, wer bin ich eigentlich.? Es wird Zeit, dieses nun herauszufinden. Eine neue Definition meiner Selbst. Denn dieses Geheule von mir geht mir auf den Zwirn. Ich will meinem Papa Paroli bieten können, mir nicht alles so sehr zu Herzen nehmen, nicht immer ein schlechtes Gewissen haben.
Also, wer ist Kari? Kari ist Claudia und die findet sich ab heute selbst und sortiert sich erstmal richtig.
Vielleicht ist das auch ein Teil der Trauerbewältigung.
Zu sich selbst in dieser Zeit finden und für sich einzustehen. Immer mit dem Liebsten im Herzen, der einem nun so nahe ist.