Seit ich in dieser Trauerphase bin geht es mir eher nicht so gut.
Ich steh irgendwie ständig unter Strom, hab das Gefühl ganz viel erledigen zu müssen und bin ständig unter einer enormen Anspannung. Von der komme ich auch Nachts nicht runter. Es macht Angst, nimmt mit dir Luft zum Atmen und macht meinen Kopf mega heiß. Der fühlt sich an, als würde ich kurz vor dem Platzen stehen.
Ich versuche alles an Ratschlägen anzunehmen, ich stell mich den Situationen, aber es wird nicht besser. Dieser Druck auf der Brust verschwindet nicht und das Herz klopft so laut und schnell, als wolle es mit einem kräftigen Anlauf raushüpfen, direkt in den Himmel zu meiner Mama. Aber das geht nicht. Ich habe doch noch so viel auf Erden vor.
Heute kam ein Buch, welches ich mir bestellt habe.
Ich weiß nicht, was ich mir von dem Buch versprochen habe.
Antworten vielleicht. Eine Art Handbuch, wenn es dir so oder so geht, dann mach das oder das und alles wird einfacher. Ja, ich weiß auch, dass das nicht so einfach ist.
Stattdessen hielt mir das Buch den Spiegel vor. Und es bestätigte alles als Normal, was ich gerade durchmache und erlebe. Schön, ein Buch was die Trauer zusammenfasst. Mega. Gut, ich will gerecht sein. Auch auf Schlafstörungen und die Stresssymptomatik wurde eingegangen. Und es wurden Traumreisen empfohlen, die man sich mit einem Code herunterladen kann.
Und es wird gesagt, dass alles erlaubt ist und nichts irgendwie unnormal scheinen sollte. Jeder hat eben seine Art zu trauen.
Spitze, soweit war ich auch.
Ebenfalls wurde mir bestätigt, dass ich rigeros gegen das Wort „loslassen“ bin. Die Autorin sagt ebenfalls, das wir die Verstorbenen nicht loslassen sollen. Wir sollen ihnen ein Platz in unserem Herzen einräumen und dürfen gerne so oft wie mögen an all das Schöne denken, was wir erlebet haben.
Aber wirklich viel neues hat mir das Buch nun nicht nicht gebracht. Hätte ich es eher gelesen, wäre es sicher anders gewesen. Dann hätte man gewusst, was einen erwartet. Ich finde, so etwas sollte man in der Schule drannehmen, einen Mensch so in das kalte Wasser zu werfen, das ist wirklich unfair.
Also bleibt nur selbst zu suchen, was mein Weg sein könnte.
Ich habe in den letzten Wochen festgestellt, dass mir bestimmte Orte gut tun. Die Physiotherapie Praxis von Almuth, die Probebühne vom Stadttheater, der Gesangsunterrichtsraum, das Ishara.
Warum ich mir sicher bin, dass es die Orte sind, und nicht die Menschen? Wenn ich nur am Stadttheater vorbeifahre mit der Straßenbahn, dann werde ich innerlich ruhig, wenn ich die Praxis betrete, geht es mir gut.
Ich fühle mich geborgen, ich werde ruhig, es scheint, als würde dort der ganze Stress abfallen. Aus dem Stadttheater wollte ich heute gar nicht mehr gehen, bei Almuth will ich gar nicht mehr von der Liege runter.
Okay, vielleicht liegt es doch an den Menschen, denen ich dort begegne. Weil das alles Orte sind belebt mit Menschen, die für mich wichtig sind, einen wichtigen Teil in meinem Leben einnehmen und die mich einfach verstehen. Und die versuchen nicht mit klugen Ratschlägen zu kommen, wie andere das in meinem Umfeld machen. Die lassen mich so sein, wie ich gerade bin. Dort kann ich meinen Weg gehen, den ich brauche.
So langsam kehrt Normalität ein, auch wenn man sicher nicht von Normal reden kann. Nichts ist normal. Ich koche, ich denke fast den ganzen Tag an meinen Papa. Ich hab das Gefühl, ich bin auf der Flucht und habe die Chance verpassen zu trauern. Und jetzt scheint die Zeit nicht mehr richtig.
Keine Ahnung.
Diese vier Orte, die bleiben mir in jedem Fall erhalten. Und das gibt mir eine Stetigkeit und Verlass, die ich im Moment so dringend brauche, in der ganzen unnormalen Situation und Neuerrungen, die mir vertraut vorkommen. Stabilität und Halt. In den kleinen Dingen des Alltags, die Sinn machen.
Dazu zählt eben vor allem die Musik, aber auch Entspannung beim Sport.
Andere Dinge gehören da nicht nicht rein.
Ich hoffe, dass man mich da versteht.