Wenn wir von Kultur reden, dann kommt es darauf an, wie alt man ist. Die Jugend versteht was anderes unter Kultur als die liebe Oma. Und doch ist beides Kultur. Denn Kultur bedeutet nichts anderes als „von Mensch geschaffen“. So ist für den Teenie Handy, Pc und Rockmusik Kultur, während Oma darunter Silbereisen, Museum und Geigenkonzerte versteht.

Das einzige, was fehlt, ist das gegenseitige Verständnis und die Akzeptanz. Was schade ist. Vor allem dann, wenn man sie ganz öffentlich in einer Ortsteilzeitung liest. Sascha und ich haben etwas gelesen. Eine Jugendveranstaltung in Sennestadt soll abgeschafft werden, weil es zu viel „Krach“ macht.

Sascha hat einen Leserbrief geschrieben, der auch meine Gedanken wiedergibt. Ich danke, dass ich den Brief veröffentlichen darf. Wenn wir eine Antwort bekommen, dann erfahrt ihr sie umgehend hier.

Sehr geehrte Damen und Herren,

am gestrigen Abend habe ich endlich Zeit gefunden, in die aktuelle Senne
Rundschau rein zu lesen.
Besonders der Artikel über die Veranstaltungsreihe „Parkklänge“
interessierte mich.

Des Weiteren erlauben sie mir folgenden Hinweis: dieses Thema gärt schon
eine lange Zeit in mir, und wie der Kabarettist Volker Pispers einmal
sagte: „Was lange gärt, wird endlich Wut.“ Deshalb bitte ich,
stilistische Entgleisungen, Überspitzungen und drastische
Übertreibungen im vornherein zu entschuldigen. Aber (wie ich immer gerne
von mir selbst sage) ich spreche nun einmal fließend „Sarkasmus“ mit
zynischem Dialekt.

Hatte ich beim ersten Artikel schon Zweifel an der Sachlichkeit und
Objektivität des Autors/der Autorin, verfestigt sich dieser Eindruck
nach dem aktuellen Abdruck. (Der Einfachheit halber spreche ich im
Folgenden von „Der Autor“, auch wenn mir die Identität, spezifisch, das
Geschlecht des Verfassers nicht bekannt ist.)
Der Autor schafft es auf gut einer DIN A4 Seite, den Eindruck einer
journalistisch fundierten Berichterstattung dieses Magazins (von Zeitung
wage ich bei der SR nicht zu sprechen) vollends zu zerstören. Schon im
ersten Absatz zeigt sich deutlich die Subjektivität und Unsachlichkeit
des Verfassers.
„Damit ist nicht etwa ein Open-Air-Konzert der Bielefelder
Philharmoniker oder ähnliches gemeint, […]“
Natürlich, das wäre dem Autor sicherlich lieber und würde zum
„angestaubten Image“ Sennestadts passen.
Aber nein, es handelt sich ja „nur“ um Techno-Musik.
Ja, man kann ob der einseitigen Berichterstattung durchaus das Gefühl
bekommen, dass es sich beim Autor um ein Mitglied der CDU handelt, so
stark wird die Position der Partei in diesem Artikel hervorgehoben, und
die „böse SPD“ gerügt.

Ich würde bei diesem Artikel (exemplarisch für die restlichen Themen
dieser Ausgabe der SR) sogar noch einen Schritt weitergehen. Das Fazit
der CDU lässt sehr tief blicken. Die Jugendlichen dürfen durchaus
Veranstaltungen für ihre Generation haben. Aber bitte erst in zweiter
Reihe! Denn im Vordergrund sollten doch die Belange und Bedürfnisse der
Älteren Generation stehen. Das steht in dem Artikel nicht so drin, klar.
Aber ein gesunder Menschenverstand liest auch zwischen den Zeilen.

Das lässt sich auch auf die allgemeine kulturelle Vielfalt des
Stadtbezirks Sennestadt anwenden. In den vergangenen Monaten habe ich
besonders die Kulturelle Berichterstattung der SR im Blick gehabt. Dabei
fiel mir erschreckend auf, dass äußerst selten über Veranstaltungen für
die Zielgruppe zwischen 18 und 65 (die laut statistischer Erhebung gut
2/3 der Einwohner Sennestadts ausmachen) berichtet wird. Was im
Vordergrund steht, sind politische Berichte über irgendwelche Jubiläen
(die meine Generation nur sehr peripher interessiert), oder Artikel, in
denen es (wie oben erwähnt) hauptsächlich um die Belange der Älteren
Menschen geht. Hin und wieder mal ein Artikel der Karateka und
Veranstaltungen von Schulen oder sonstigen Einrichtungen. Das war’s aber
auch schon.

Dies lässt aus meiner Sicht folgende Schlüsse zu:

1. In Sennestadt gibt es kein Angebot für „meine Generation“ (Geboren
1989).
2. Meine Generation ist den Lokalmedien und der Lokalpolitik egal.
3. Sennestadt stellt sich nach außen lieber traditionell-konservativ
dar.

Da helfen auch Zugeständnisse in Form eines sanierten Hallenbads und
einer neuaufgebauten Skateranlage nicht!
Und endlich (!) gibt es dann mal eine Veranstaltungsreihe, die unsere
Generation anlocken soll, und sie wird in der SR als „Krach“ tituliert.
Aber harmonische, traditionelle Klänge von Bach, Händl und Mozart werden
unterschwellig als „Kulturell wertvoll“ dargestellt.
Ich kann die Intentionen des Autors nicht beurteilen, jedoch kommt es mir
so vor, als sei dem gesamten Autorenstamm der SR der Begriff
„Populärkultur“ nicht geläufig. Populärkultur heißt aber für unsere
Generation nun einmal nicht „Andy Borg und das lustige Musikantenstadl“.
Die Wolfang Amadeus Mozarts und Udo Jürgens dieser Zeit heißen David
Guetta, Pharell Williams und Kanye West.

Die ältere Generation fordert von der Jugend uneingeschränkten Respekt.
Ein Sitzplatz im Bus, das Vorlassen an der Supermarktkasse. Und zum Dank
bekommt der Schüler Klaus Meier beim REWE-Besuch den Rollwagen in die
Hacken und ein zärtlich-nettes „Gehen sie mal zur Seite, sie stehen mir
im Weg, sie Nichtsnutz“ an den Kopf geworfen. Ja, das nenne ich Respekt!
Kein Bitte, kein Danke. Ein netter, sanfter Stoß mit dem Rollwagen, das
muss reichen. Das ist Wertschätzung, werte Damen und Herren.
Und die Jugend von heute hat sich bitte gefälligst dem Kulturverständnis
der älteren Generation zu unterwerfen. Was da heute im Radio läuft,
klingt, als würde man eine räudige Katze durch den Fleischwolf drehen,
aber das hat nichts mehr mit der schönen Volksmusik von früher zu tun.

Respekt, so meine Meinung, muss in beide Richtungen funktionieren. Und
wenn Lisbeth Müller Respekt für ein Orgelkonzert in der Kirche St.
Thomas Morus erwartet, dann kann Klaus Meier auch Respekt für „seine“
Musik erwarten.

Ich bin, weiß Gott, kein ungebildeter Mensch, nur habe ich ein anderes
Verständnis von Kunst, und irgendwelche Termitenhaufen sind für mich
keine Kunst. Auch kann ich mit Orgelkonzerten nicht viel anfangen, höre
jedoch hin wieder selbst gerne klassische Musik.

Die Stadtfeste sind ebenfalls symptomatisch für diese Probleme. Was wird
dort denn für die junge Generation geboten? Finden im LUNA irgendwelche
Hip-Hop-Konzerte statt, wo die junge Generation „abhängen kann“, während
die älteren Menschen über das Stadtfest flanieren? Wieso denn auch?
Ich bin selber Musiker und musste erschreckend feststellen: Wenn ich
Schlager und klassisches deutsches Liedgut singe, dann hört man mir zu.
Singe ich aber auch nur einen HAUCH daneben (moderne Populärmusik, auch
„Pop“ genannt), dann werde ich mit Verachtung gestraft.

Genau so, sehr geehrte Damen und Herren der SR, zeigt man der Jungen
Generation, dass sie hier unerwünscht ist, und sich der älteren
Generation „nach Zucht und Ordnung“ unterzuordnen hat.

Ist Sennestadt „überaltert“? Schaut man sich die Statistik an, ist dies
klar mit einem „Nein“ zu beantworten. Schaut man sich jedoch das Angebot
an Veranstaltungen an, ist diese Frage nicht mehr so eindeutig zu
klären.

Sie können für viele der von mir kritisierten Punkte natürlich nichts,
denn sie sind ja nur die Berichterstatter (wobei ich auch diesen Punkt
nach diesem unsachlichen, subjektiv gefärbten Beitrag anzweifeln
möchte).
Hier ist in erster Linie die Bezirksvertretung gefordert, Sennestadt
auch für meine Generation kulturell attraktiv zu machen.

Was ich mir von der Senne Rundschau jedoch wünschen wäre, ist eine
ausgewogenere Berichterstattung. Themen, die auch die Jugend
interessiert. Weniger Politik, mehr Jugendkultur. Die Zeitschrift in
Inhalt und Design verjüngen.
Wenn Ihnen wirklich daran gelegen ist, auch die jüngeren Bewohner
Sennestadts anzusprechen, dann sorgen sie auch dafür, dass sie sich
angesprochen fühlen, und zwingen Sie ihnen nicht Themen auf, die Sie für
relevant halten, weil es für Ihre Generation relevant ist. Wir sind
nicht Ihre Generation.

Und verurteilen Sie nicht unseren Musikgeschmack als Krach. Ich halte
jetzt mal dagegen: Wenn wir Ihrer Meinung nach nur Krach hören, dann
sollten sie erstmal lernen, richtig zur Musik zu klatschen (Kleiner
Tipp: „1“ und „3“ war zu Zeiten von Graf Radetzky (der mit dem Marsch)
modern, heute hält man sich jedoch eher an die „2“ und „4“ eines
Liedes).
Ein gegenseitiges Verständnis ist die einzige Lösung, und das bedeutet
nun auch einmal Zugeständnisse an die Jugend und ihre „Populärkultur“.
Und daran haben die Medien (besonders die Lokalen und Kommunalen Medien)
einen großen Anteil.

Vorausgesetzt natürlich, Ihnen liegt überhaupt etwas an der jungen
Leserschaft. Falls nicht, vergessen sie diesen Leserbrief bitte wieder.

Ich hoffe, sie fühlen Sich von dieser „Hassmail“ nicht annähernd so sehr
„auf den Schlips getreten“ wie wir „jungen Leute“ von Ihrem Artikel. Ich
möchte nur eine Diskussion anregen und meinen Standpunkt deutlich
machen, dass die Jugendkultur in Sennestadt nicht die breite Basis
erfährt wie dies für die „Kultur der Alten“ der Fall ist, besonders auch
in der SR.

Ich Danke Ihnen für die Zeit, die sie sich für diese Mail genommen
haben, und hoffe auf eine kurze Rückmeldung.

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