42. Drehung

Der Autor, das unbekannte Wesen. Wobei, so einige Vorurteile über Autoren kursieren ja schon in den Köpfen der Menschen. Marionetten der Verlage, Dukatenscheißer, kreative Köpfe, Einsiedler und Eigenbrödler, Exzentriker. Ja, das alles trifft sicherlich (wenn auch nicht alles zugleich) auf den einen oder anderen Autor zu. Aber wie sieht es mit folgendem Vorurteil aus: Studierte und promovierte Germanistiker (gibt’s das Wort überhaupt? Wenn nicht: Hey, ich mach’s wie Shakespeare, ich erfinde die Worte einfach).

Das zumindest ist ein Meinungsbild einiger gallischer Autoren auf Facebook. Sie unterscheiden ganz streng zwischen erfolgreichen, promovierten Germanistikstudenten und dem Pöbel, der einfach nur irgendeinen Scheiß verzapft, den er dann „Literatur“ nennt.

Ich habe allein schon mit dem Wort „Literatur“ meine Probleme, denn ich verstehe unter Literatur immer hochgeistige Werke von Böll, Grass und Mann. Nicht so ein Unterhaltungshalligalli wie Harry Potter. Denn Frau Rowling hat ja auch nicht studiert. Doch, hat sie, aber nicht Anglistik, sondern klassische Altertumswissenschaft. Trotzdem hat es irgendwie für Shakespeare dann doch nicht gereicht. Aber Millionen Fans weltweit lieben ihre Geschichten um den kleinen Zauberer Harry Potter.

Hierzulande gibt es natürlich auch einige große Unterhaltungsautoren. Mein Lieblingsautor und seines Zeichens Nachtwächter, Wolfgang Hohlbein (zu einem „Amadeus“ reichte die Tinte in der Geburtsurkunde nicht). Ja, auch er hat eine Uni höchstens mal von außen gesehen. Aber er ist Industriekaufmann und hat eigentlich (laut eigener Aussage) aus reiner Langeweile mit dem Schreiben angefangen. Gut, wenn man nicht gerade in einem New Yorker Museum als Nachtwächter arbeitet, ist so ein Job schon öde. Er hält sich selbst aber nicht für einen „Literaten“, wie Böll, sondern schreibt Geschichten, die er selber gerne lesen würde. Und auch er hat nicht gerade wenig Fans.

Muss ein Autor also studiert haben? Oder besser, muss ein Autor das Handwerk erlernt haben, dass er ausübt? Die vorgenannten Beispiele zeigen, dass es zumindest keine Grundvoraussetzung ist. Es ist vollkommen ausreichend, seine Muttersprache ausreichend zu beherrschen und genügend Fantasie mitzubringen. Der Rest kommt dann schon von allein. Sei es, dass ein Lektor einen bei der Arbeit unterstützt, oder man sich auf Hilfe aus dem Bekanntenkreis verlassen kann. Keiner dieser Autoren hat (mit Ausnahme von J.K.) mit seinem ersten Buch schon Millionen verdient. Herr Hohlbein hat anfangs für ein Magazin gearbeitet, und auch andere Autoren fingen eher bescheiden an.

Manche fangen sogar mit Fanfictions an. So z.B. E.L. James. Man kann ja über 50 Shades of Grey sagen, was man will, aber alles fing hier mit einer Twilight-Fanfiction an. Gut, das wertet jetzt weder Shades of Grey noch Twilight auf, aber hey, es ist ein Anfang. Und sie hatte schon damals massig Leser auf fanfiction.net. Erst dadurch, durch den Zuspruch ihrer „Fans“, kam sie auf die Idee, diese Geschichte zu verändern, aus Bella und Edward Anastasia und Christian zu machen.

Meiner bescheidenen Meinung nach, ist ein Lehrgang „Wie schreibe ich richtig?“ keine Voraussetzung, Autor zu sein. Autor ist, wer seine Geschichten zu Papier bringen und Leser begeistern kann. Dafür muss man nicht studiert haben, sondern den Nerv der Zeit (oder besser gesagt, den Geschmack der Leser) treffen. Und wenn Vampire glitzern, so what? Dann rennt da eben eine glitzernde Schwuchtelfee durch den Wald und die Bäume hoch. Dann hält sich eine Teenagerin eben einen Werwolf als Haustier. Die Fans lieben es. Ich überlege übrigens, wo ich diese Zeilen tippe, ernsthaft, in welchem Studiengang man lernt, dass Vampire glitzern? Ist Kryptozoologie neuerdings ein anerkanntes Studienfach? Gibt’s das auch als Fernstudium?

Jeder Autor ist erst einmal gleichberechtigt, ob er nun ein abgeschlossenes Germanistikstudium vorweisen kann oder nur einen Realschulabschluss. Denn nicht zuletzt hängt es doch von zwei Faktoren ab. Erstens, den Lesern und zweitens, den persönlichen Ambitionen des Autors. Möchte er damit Millionen verdienen, muss er natürlich ganz anders an die Sache rangehen als „Hobbyautoren“ (Sekunde, bin kurz kotzen), die nur mit ihren Geschichten begeistern wollen. Ich kenne Autoren, die kriegen keinen deutschen Satz zustande, und haben trotzdem begeisterte Leser für ihre Stories. Dass die jetzt keinen Literaturnobelpreis bekommen, ist klar, aber sie schaffen es trotzdem, die Leser für sich und ihre Stories zu begeistern. Und darum sollte es doch gehen, oder?

Ich jedenfalls werde nicht zu denen gehören, die in der Buchhandlung zuerst einmal nach dem Abschluss des Autors fragen, bevor sie sich zum Kauf entscheiden. Gibt es in den Buchhandelsprogrammen eigentlich eine Spalte für „summa cum laude“? Falls nein, Herr Eschbach, bitte programmieren, sie arbeiten doch als Softwareentwickler. Einige Leser scheint nämlich ein abgeschlossenes Studium des Autors mehr zu interessieren als die Geschichte in dem Buch.

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