22. Drehung
Ein Unwort ist ein Wort, welches „unschön“ ist und man nicht gerne hört.
Dieses Jahr wurde es das Wort „Lügenpresse“. Find ich persönlich richtig gut. Nicht weil ich denke, die Presse lügt. Das glaube ich nicht. Aber dieses Wort zeigt mir ganz deutlich, dass meine persönliche Challenge für alle wichtig ist.
Presse, Menschen schreiben Artikel über Ereignisse, schreiben dass, was passiert. Und immer fließt auch ein bisschen was vom eigenen Blickwinkel ein. Ich als Konsumentin und Leserin von Presse und Journalismus habe immer die Aufgabe zu hinterfragen. Und ich muss schauen, welche Quelle habe ich da gerade vor mir und was wollen die vom Leser. Was steckt dahinter? Presse ist immer auch Psychologie und Marktwert. Es geht ums Verkaufen, unter anderem.
Wenn ich Bild lese, lese ich zwar die gleichen Themen wie in zum Beispiel einer NW, aber die Wortwahl macht es. Da würde es in einer Zeitung heißen „Titanic kollidiert mit Eisberg“ in der Bild „Eisberg springt Monsterschiff an“.
Klar, ich übertreibe gerade. Aber ich glaube, man versteht, was ich sagen will. Wenn ich etwas in der Presse mitbekomme, mir da irgendwas um die Ohren gehauen wird, dann ist es für jeden Menschen wichtig, nicht nur stumpf zu lesen, sondern stets kritisch zu sein. Wer sagt da was warum.
Und dann kommt man schnell darauf, dass „Lügenpresse“ nichts mit Lügen der Presse zu tun hat. Sondern mit Menschen, die einfach, ohne zu hinterfragen, konsumieren. Das hat nichts mit Presse zu tun, sondern eher was mit den Menschen, die über Begebenheiten berichten. Und die haben halt einen Standpunkt, einen Blickwinkel. Und vor allen Dingen ein Ziel. Erfolg mit ihrer Arbeit erzielen. Und wenn das bedeutet, Presse hat mit Jesus geredet, dann werden die uns das auch so verkaufen.
Denn die meisten Menschen wollen nur noch konsumieren. Die Welt ist schnell geworden. Müsli to go, Coffee to go, Nachrichten to go. Man hat keine Zeit mehr. Man muss sich drauf verlassen, was die Menschen schreiben, berichten, posten. Das stand so auf Facebook, das muss so sein. Das habe ich im Internet gelesen, das ist sicher wahr.
Da lässt man sich dann schnell beeinflussen und springt auf irgendwelche Meinungen auf, ohne mal zu fragen… Moment, hat das denn Hand und Fuß? Meine Heimat wird vom Islam unterlaufen. Hat jemand gesagt, ist dann so. Die Bäume schlagen aus, klar sind sicher gewalttätig. Michael Jackson tanzt mit ET auf Wiener Opern Ball, mit Foto dabei. Der Oberknüller. Und ein Radio lässt einen Bericht laufen: Dicke Menschen sind minderbemittelt. Toll, was so ein Satz auslösen kann. Hurra, alle Menschen, die mehr Kilos sind dumm.
Wenn man jedoch recherchiert, dann stellt man fest. So wörtlich genommen, war das falsch. Der Radiomoderator wollte eigenlich sagen: Studien haben ergeben, das Leute, die weniger klug sind öfter zu Adipositas neigen als kluge Menschen. Heißt aber nicht, dass es nicht auch dicke Menschen sind, die was auf dem Kasten haben. Ah, da klingt das ganze schon anders.
Das bekommt man aber erst raus, wenn man mal kritisch hinterfragt.
Aber zum Glück gibt es viele, die den Blickwinkel um 360 Grad schweifen lassen. Die Presse, die nicht schüren will, die lässt dann auch die andere Seite eines Ereignisses zu Wort kommen oder hält anderen Leuten den Spiegel vor. Und Spiegel können wehtun.
Wenn ich da meinen Rundumschlag lesen würde, dann täte ich mir sicher auch schwer. Und dann ist es einfacher zu sagen „Lüge“, anstatt skeptisch mit mir selbst ins Gericht zu gehen.
Ich frage weiterhin skeptisch nach und wenn die Titanic ein Monsterschiff ist, dann will ich dieses mit eigenen Augen sehen.
Vielleicht ist auch mein Blickwinkel nicht immer der von allen und stößt dem einen oder anderen auf. Und ihr dürft auch gerne schreien „Lüge“. Aber ich habe mich einmal gedreht, mein möglichstes getan, um mir ein Bild zu schaffen und schreibe, was ich sehe und denke.
Das ist keine Lüge, sondern meine Wahrheit, die vielleicht nicht eure ist.