15. Drehung
Familie.
Ein Thema voller Missverständnisse und großem Theater. Das darf man ruhig wörtlich verstehen. Meine Familie, so wohl die von meinem Papa als auch die von Sascha, die ist so ein bissel wie ne Damenbinde. Jeder blutet rein, aber man will es nicht zugeben. Keiner will es gewesen sein. Man hat doch keine Tage, das ist ja ekelhaft. Lass es verschwinden. So was schickt sich nicht.
Nach Außen Hui, Innen Pfui.
Was sollen denn die Leute denken, wenn man zugibt, dass man nicht perfekt ist in einer Familie?
Dass da ältere Menschen sind, die einen Rollator brauchen, oder inkontinent werden. Da pack ich mir doch an den Kopf. Das ist der Lauf der Dinge. Das ist so im Alter. Was sollen die Leute da denken? Das ist aber ne liebe alte Dame. Und man kümmert sich so aufopfernd um sie.
Und so als Tipp, liebe Sippschaft, auch ich bin nicht immer dicht in der Blasengegend, ja und? Was sollen die Leute schon denken? Als wäre ich die Einzige mit nem schwachen Blasenschließmuskel. Macht das mich schlecht, wirft das ein schlechtes Licht auf unsere Familie? Ich denk nicht.
Aber klar, es ist viel einfacher, alles unter den Teppich zu kehren. Miteinander reden, weil Themen vielleicht alle in einer Familie angehen. Warum denn? Um Gottes Willen. Was sollen denn die Leute denken?
Was früher war? Ist doch klar, alles Friede, Freude und natürlich Eierkuchen. Wir hatten uns doch alle lieb! Probleme? Gab es nie, wird es auch nie geben. Weil wir uns alle so lieb haben und sofort für den anderen ohne Frage da sind. Da will keiner dem anderen was böses. Da denkt man nicht schlecht über andere. Man hat sich immer geholfen, zu jeder Zeit, ohne Vorbehalt. Weil Blut immer dicker ist als Wasser.
Ja ne, ist klar. Bin voll bei euch!
Alle die jetzt nur Bahnhof verstehen, bei denen entschuldige ich mich. Meine Drehung dreht sich um die Sippschaft. Familienidyll, welches nur nach Außen toll ist. Ich glaube, das kennt ein jeder.
Die Frage ist nur, wie gehe ich damit um? Wenn es mich direkt betrifft.? Wenn ich Dinge erfahre, die ich schon lange ahne und mir die Hutschnur hochgeht, weil es mich direkt betrifft? Weil es mein Leben beeinflusst. Weiter Theater spielen? Wir haben uns alle so lieb und sind ne glückliche Familie? Heitieitei, was geht es uns gut? Und hinten wird mir schon das Messer in den Rücken gesteckt. Nö, das ist mein Leben. Und ich will auch zu meinen Schwächen stehen können. Und ich will wissen, was los ist.
Wenn jemand nicht direkt den Mund aufmacht, weil ich irgendwas mal irgendwie gesagt habe, was in den falschen Hals geraten ist, dann soll man mich drauf ansprechen. Aber dafür ist man sich zu fein. Ich bin dann die böse, es wird gemeckert, aber natürlich hinter vorgehaltener Hand. Was sollen denn die Leute denken, wenn man böse von einem Familienmitglied redet?
Und es werden Gerüchte weitergeleitet. Wusstest du schon, und haste nicht gesehen. Ja, urteilt über uns. Lasst Sascha und mich die schwarzen Schafe sein. Aber alle die ohne Sünde sind, die unfehlbar alles richtig, immer und immer wieder machen, die sollen den ersten Stein werfen, und dann bekommen sie von mir noch den Besen und dürfen alles auffegen. Ach, ja, und vergesst eure Tür nicht, da hab ich auch Steine gesehen.
Warum ich das hier ziemlich direkt sage? Weil ich dieses Jahr Tacheles rede. Wie war das noch, ich bin nicht jedermanns Darling? Und ich hab doch schon den Arschloch-Status in der Familie, dann kann ich den doch auch endlich ausleben. Damit die Laberei auch endlich Hand und Fuß hat.
Und damit man sich nicht mit seinem eigenen verpfuschten Leben und den Leichen darin auseinander setzen muss. Dann habt ihr was zu reden und könnt eure Probleme ausblenden. Sehr schön, wie einfach man sich sein eigenes Leben rosarot streichen kann, wenn man einfach über seinen Tellerrand guckt.
Es könnte so viel harmonischer sein, wenn man gemeinsam Probleme anpackt….
Aber, was sollen denn die Leute denken?
Besser wir lassen alles, was Probleme macht im eigenen Problem verrecken, dann redet keiner mehr drüber. Oder vielleicht gerade dann?
Was die Leute denken? Die Familie wusste doch von den Problemen, warum haben sie nicht geholfen?
Aber egal. Ich helfe euch, den Teppich hochzuhalten. Und ich trampel mit euch gerne drauf rum. Das gibt mir sicherlich ein gutes Gefühl.
Endlich haben wir was gemeinsam getan. Hurra. Familienzusammenhalt ist wunderbar.
Was soll ich da nur denken?