Als Autor ist man häufig auf Facebook unterwegs. Zum einen natürlich, um den Kontakt zu seinen Lesern zu pflegen, zum anderen, um mit Kolleginnen und Kollegen zu quatschen.
Manchmal erfährt man dabei Dinge, die einen zum Nachdenken bringen. So auch neulich.
Auf Facebook wurde eine Gruppe ausfindig gemacht, in der ausgiebig eBooks getauscht und geteilt wurden. Abgesehen von der strafrechtlichen und moralischen Seite kam auch die Frage nach dem Warum auf.
Von der einen Fraktion hieß es, die Preise für eBooks seien ohnehin schon viel zu niedrig. Man sprach von „Verramschung“ der eBooks. Sogar eine Apfeltasche beim goldenen M würde mehr kosten (an dieser Stelle zitiere ich einen sehr lesenswerten Artikel der Autorin Claudia Toman zu diesem Thema). Wieso hätte man es dann noch nötig, diese „Centartikel“ auch noch zu klauen?
Von Gegenseite kam das Argument, was sei schon der Wert eines Stücks Software? Sind doch nur Einsen und Nullen irgendwo auf nem Rechner in irgendeinem riesigen Rechenzentrum irgendwo am Arsch der Welt. Außerdem, einen Text runtertippen kann jeder, da gehört doch nix dazu. Und den Text dann SOOOO teuer verkaufen? Diese Geldgierigen Indie-Autoren!
Solche Argumentationen machen mich als Autor, aber auch als Leser von Büchern sehr traurig. Ich möchte Euch heute aus Autorensicht mal einen Einblick in die Arbeit eines Autors und auch die finanzielle Situation eines Indies gewähren. Das ist sicherlich längst nicht bei allen gleich, aber bei vielen von uns sicher ähnlich. Als Leser möchte ich außerdem einen Einblick in meine Entscheidungsprozesse geben, und warum ich gerne auch mehr für ein Buch bezahle.
Als Autor schreibt man in erster Linie für den Leser. Man entwickelt die Geschichte, die Charaktere, die Schauplätze, man recherchiert, ändert, schreibt um… Bis man das Wörtchen „Ende“ unter das Manuskript setzt, vergeht etliche Zeit. Sechs Monate sind da keine Seltenheit. Sechs Monate, in denen wir arbeiten, ohne auch nur einen Cent dafür zu sehen.
Aber damit ist es ja nicht getan. Wenn man keine Person hat, die nochmal drüberlesen kann, die Kritik gibt, Änderungen vorschlägt, und Verbesserungen anbringt, dann muss diese Dienstleistung eben dazugekauft werden. Sowas nennt sich „Lektorat und Korrektorat“. Was ein Verlag mit internen Mitarbeitern erbringt (siehe später im Text) müssen wir Indie-Autoren uns notfalls extern „besorgen“.
„Text lesen kann jeder“, werdet ihr jetzt sagen. Joa, das stimmt zwar, aber wer von Euch da draußen hat schon ein Studium der Germanistik abgeschlossen? Tja, jetzt wird das Eis schon dünn, oder? Und es wird noch dünner, denn nur weil man sauber Subjekt, Prädikat und Objekt bestimmen kann, ohne es zu unterstreichen, heißt es immernoch nicht, dass man stilistisch erste Klasse ist. „Der Hund ist braun“ ist zwar grammatikalisch richtig, aber in einem Roman will ich mehr sehen als nur solche „Grundschulsätze“. Oder stehen euch etwa jetzt schon vor Spannung die Nackenhaare zu Berge? Mir nicht.
Dafür kann man gut und gerne man zwei, drei violette Scheinchen loswerden. Wir setzen also schon einmal 1000€ auf unsere „Ausgaben“-Seite. 1000€, die wir ausgeben, BEVOR wir das Buch veröffentlicht haben.
Ich weiß ja nicht, nach welchen Kriterien ihr euer Buch kauft. Geht ihr nach den Spiegel-Bestseller-Listen? Verlasst ihr euch ausschließlich auf Freunde? Buchkritiken im lokalen Käseblatt? Oder geht ihr selber los und schaut euch um? Mutig, mutig.
Ich gehöre zu Letzteren, wobei das mit dem „Gehen“ sich eher auf den Weg zum PC beschränkt. Ja, ich gebe zu, ich unterstütze den Ausbeuterverein Amazon! Und ich bin stolz darauf! Okay, Thalia ist meine zweite Wahl, aber letztlich ist es Jacke wie Hose. Denn kosten tun sie ja überall das Gleiche. Sowas nennt man nämlich Buchpreisbindungsgesetz. Ja, so ein Wort können sich auch nur deutsche Bürokraten aus dem Hirn drücken. Schreibt’s euch auf, könnte bei der nächsten Scrabble-Runde euren Arsch retten. Bedeutet aber nichts weiter als dass alle Buchläden (online wie offline) das Buch zum gleichen Preis anbieten müssen (Sonderfälle wie Remittenten lasse ich mal außen vor. Wer schon mir dem Wort Buchpreisbindungsgesetz im Scrabble versagt …).
Wer also ein Buch kauft, der schaut unweigerlich auch auf das Cover des Buchs. Ist es schön gestaltet, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass man das Buch umdreht und sich den Klappentext durchliest. Die Kaufbereitschaft steigt bei einem ansprechenden Cover.
Aber wer von uns besitzt schon ein abgeschlossenes Germanistikstudium UND eine Ausbildung als Grafikdesigner? Das Eis ist jetzt nur noch auf Arktisniveau im Hochsommer… Also muss man auch das dazukaufen. Soll das Cover von grundauf gestaltet sein, ohne Fotos, die manipuliert werden, ist man auch hier schnell 200€ und mehr los. Damit sind wir schon bei 1200€ auf der „Ausgaben“-Seite. Ihr seht schon, ich rechne sehr am Ausgabenminimum. Aber trotzdem….
1200€….das ist fast das durchschnittliche Nettoeinkommen in deutschen Haushalten…sagt das statistische Bundesamt. Da is nix mit Miete, Strom und Wasser…Essen? Nicht diesen Monat, das Buch geht vor!
Fairerweise muss ich hier anmerken, dass es sich hierbei um Herstellungsgemeinkosten handelt (noch so ein schönes Scrabble-Wort). Also Kosten, die ich einmalig für die Herstellung ALLER kommenden Druckexemplare zahle. Beziehungsweise, die ich in die Herstellung des eBook-Masters investiert habe. Das eBook an sich ist also 1200€ wert! Haha, Taschen auf und Kohle her. Jetzt!
Nein, für den Preis wird mir wahrscheinlich nicht einmal ein Ölscheich in Dubai das Ding abkaufen.
Und überhaupt, wer bekommt eigentlich neben dem Autor das Geld für den Verkauf von eBooks? Was? Es gibt noch andere Sauhunde außer dem gierigen Autor, der an solchen eBooks verdient? Ja. Und einer dieser „Sauhunde“ nennt sich „Finanzamt“.
Seit dem 1. Januar 2015 sogar 19%. „Mehrwertsteuer“ nennt man diese Schweinerei. Denn ein eBook ist laut Gesetz kein Buch, sondern Software. Einsen und Nullen, besteuert mit 19%. Und da soll man nochmal sagen, die beim Finanzamt sind nicht kreativ. Steuern auf Einsen und Nullen! Gibt’s eigentlich auch „Steuerssteuern“? Egal, ich schweife ab. Nachher bringe ich noch wen auf dumme Ideen…
Dann gibt es da den Shop, der das eBook zum Download anbietet. Denn der hat auch Kosten. Die Server, auf denen das Ding liegt, müssen mit Strom versorgt werden. Da reicht nicht so ein Dudelkasten aus’m Conrad-Katalog. So’n Leasingrückläufer von Anno Tuck. Nein, nein. Wenn dort jeden Tag hunderttausende von Kunden drauf rumdümpeln muss das schon größer sein (vertraut mir, ich arbeite hauptberuflich als IT-Admin bei einem großen Unternehmen, ich kann das schon gut abschätzen). Und solche Dinger gehen ja auch mal kaputt…. auch all diese Kosten müssen anteilig auf das eBook umgelegt werden.
Tja und schließklich ist da noch der Dienstleister, der mein eBook in die Shops verteilt, „distributiert“, wie der Fachmann sagt. Auch der will natürlich einen kleinen Obulus.
Nehmen wir mal ein eBook von 0,99€ (was ja für viele schon als Maximum angesehen wird, das man zu zahlen bereit ist).
0,99€ – MwSt (19%) = 0,80€.
Im Schnitt verdient so ein Shop etwa 38% bis 40% (in höheren Preislagen sogar noch mehr) an diesen 80 Cent.
Macht also unterm Strich im Bestfall noch etwa 0,50€
Tja, und der Distributor gibt mir als Autor von diesen 0,50€ 70%. Das macht Summa Summarum etwa 35 Cent pro verkauften eBook für mich als Autor. Im Bestfall! Witzigerweise tritt dieser Bestfall beim Ausbeuterverein Amazon aus. Bei Thalia bekäme ich noch weniger!
Und von diesen 35 Cent muss ich die Kosten von 1200€ auffangen. Also muss ich über 3400 Bücher verkaufen, um überhaupt etwas an diesem eBook zu verdienen (bei 3429 habe ich gerade erst meine Schulden abbezahlt)!
Und mit 3400 verkauften Exemplaren würde mich hinterher jeder Verlag mit Kusshand nehmen…samt dem Cover und dem Lektorat…Hey, da sparen sie ja sogar noch, die müssen das ja nur noch drucken und vermarkten….aber wir Indieautoren sind geldgierig.
Klar kann ich als Autor die Kosten senken, die Ausgaben minimieren. Aber letztlich ist und bleibt es eine Kalkulationssache. Die Frage ist doch: Wie viele Leser KANN ich dazu ermutigen, das Buch zu kaufen? Als Indie-Autor ohne Fanbase? Viel Spaß!
Ja, die eBook-Preise sind allgemein sehr niedrig. Zu niedrig, für meinen Geschmack. Ich kenne einige Autoren, die, so wie ich es tu, durchaus mehr für ihr Buch verlangen können, und ich wäre bereit, den höheren Preis auch zu zahlen. Der Autor hat ja nicht nur die Kosten für die eingekauften Dienstleistungen. Denn einen Posten habe ich in dieser Rechnung ausgelassen: Die Arbeitszeit. Die zig Monate, die sich ein Autor um die Ohren geschlagen hat, das Buch zu schreiben. Ich weiß ja nicht, was ein Bildjournalist so verdient (Schreiberlinge ohne nennenswerte Qualifikation sind sicherlich günstiger), aber gehen wir doch mal vom (neu eingeführten) Mindestlohn von 8,50€ aus, und unterstellen Steuer- und sonstige -abzüge von 50%. Ein Lohn, den der Leser zahlen müsste! Da wären wir ganz schnell bei…rechne rechne … 4,25€* 4 Stunden täglich (So lange schreibe ich etwa täglich) * 30 Tage * 6 Monate …rund 3000€.
Ja, sehr viele Autoren schreiben nebenberuflich, sind also auf diese „3000€“ nicht angewiesen. Aber sie haben dafür auch auf andere Dinge verzichtet. Ein Urlaub mit der Familie vielleicht. Einen neuen Fernseher…was man sich halt alles mit 1200€ kaufen kann.
Ich höre schon wieder die Rufe meiner radikalen Kollegen: Wir Indies müssen langsam mal den Arsch hochkriegen. Wir müssen langsam mal den Verlagen Paroli bieten! Wir dürfen uns nicht länger unter Wert verkaufen! Ein Verlag verlangt das dreifache für seine eBooks.
Na dann voran, ihre Treuen Recken der Ahnungslosigkeit!
Ja, ein Verlag verkauft die eBooks teurer. 10€ sind da keine Seltenheit, manchmal übersteigt der eBook-Preis sogar den des Taschenbuchs. Und ehrlich gesagt finde ich es in diesem Fall dann doch sehr übertrieben. Aber der Verlag kann die „Verdienstausfälle“ (so er denn welche hat) der eBooks mit den günstigeren Taschenbüchern finanzieren. Wieso sind die Taschenbücher eines Verlags eigentlich günstiger als die eines Indies? Sind Independent-Autoren also doch Geldgierig? Wir habens doch gewusst!
Na, na, nicht so schnell. Ein Verlag wie Carlsen, Bastei Lübbe oder Oetinger hat – so gesehen – die Ausgaben eines Indie-Autors nämlich nicht. Ja, auch die müssen natürlich ihre Lektoren und Illustratoren bezahlen, aber hier ist der Knackpunkt. Die haben festangestellte Lektoren und auch genug Arbeit, um diese zu bezahlen. Die können ihre Kosten über ALL ihre Bücher aufteilen!
Ein freier Lektor oder Grafiker muss alleine schon deshalb höhere Preise nehmen, weil er eben nicht davon ausgehen kann, 365 Tage im Jahr Arbeit zu haben. Ein Verlag hat Festmitarbeiter, kann seine Gemeinkosten genau kalkulieren.
Ein Verlag hat die Mittel, eine Hohe Auflage vorzustrecken, und ein Verlag hat auch die Möglichkeit, große Marketingkampagnen zu starten (seht ihr? Ich wusste in meiner Kalkulation ist ein Fehler. „Marketingmittel“ habe ich noch gar nicht bedacht). Zusätzlich setzt ein Verlag nur auf „bekannte“ Zugpferde. Autoren, bei denen der Verlag weiß, dass er die Ausgaben wieder reinholen kann, werden bevorzugt, und für die wird auch mehr Geld investiert. Und wer Millionen Bücher verkauft (als Autor), kann auch von einer geringeren eBook-Marge als 70% (wie bei meinem Fall) gut leben.
Hinzukommt, dass die Gemeinkosten auf die ganzen Auflagen ALLER Bücher verteilt werden können. Da machen dann die 1200€ (aus meinem Beispiel) für die Gehälter der verlagsinternen Mitarbeiter nur noch einen Centbetrag aus, wenn die Auflage im fünfstelligen Bereich liegt. Auch deshalb sind Verlagsbücher im Druck IMMER günstiger als bei einem Indie-Autor. Selbst wenn man die Gehälter der sonstigen Stützen des Verlags, die Vertriebler, Buchhalter, Bürokaufleute und was da sonst noch so an ehrbaren Mitarbeitern rumschwirrt, dazurechnet, muss man doch zugeben, dass der Verlag trotz der günstigen Preise nicht am Hungertuch nagen muss.
Aber wir sollen uns emanzipieren und den Verlagen Gegenwind geben. Gut gebrüllt, Löwe. Bei den Taschenbüchern? eBooks?
Nur hier kommen wir jetzt zu einem kritischen Punkt. Leser sind Gewohnheitstiere. Taschenbücher kosten NIE mehr als 10€! 1:0 für die Verlage. Außerdem kenne ich den Autor Hans Meier ja gar nicht, dafür gebe ich doch keine 7€ für das eBook aus. Das Risiko ist mir viel zu groß. 2:0 für die Verlage. Wir sollen uns emanzipieren? Wirklich?
Denn hier ist doch das Problem: Der Leser zahlt das, was er zu zahlen bereit ist. Und wenn er für ein Buch nur 0,99€ zu zahlen bereit ist, für einen (auch ein Beispiel aus Claudia Tomans Blog) Kaffee aber fünf Euro (es lebe Starbucks und Co.), dann stimmen doch irgendwo die Relationen nicht. Aber was scheren Euch Relationen, solange das eBook nur günstig, besser noch umsonst ist. Und ihr genießt dann das eBook für 0,99 Cent bei einem schönen Latte Macchiatto für 4,99€. Tja, und wenn der Autor dann 3444 eBooks verkauft hat, kann er sich ja auch mal nen Kaffee gönnen. Da wollen wir doch mal großzügig sein, oder?
Wir Indie-Autoren haben keinen Verlag hinter uns, der uns die Kosten „abnimmt“. Wir haben Kosten, und die wollen wir wieder reinholen. Der eine mehr, der andere weniger, und es gibt sicherlich auch Indies, die sagen „Niemand kennt mich, ich verschenke mein eBook.“ Kann er gerne tun. Aber wenn dann die Leser erwarten, dass ALLE Indies das gleiche tun, nur weil sie unbekannt sind, oder die Bücher illegal untereinander tauschen, dann mögen sie doch bitte an ihrem Latte Macchiato ersticken.
Ich gehe jedenfalls jetzt erstmal ein Indie-Taschenbuch mit 500 Seiten für 14,90€ lesen, mit einem schönen Glas Aldi-Mineralwasser. Ich setze als Leser da nämlich andere Prioritäten.
Dieser Text ist ein Gastbeitrag meines Ehemanns Sascha Schröder.